Noch bevor sie am Wochenende die Wahlen zum finnischen Parlament gewann, siegte Anneli Jäätteenmäki an der Fashionfront: Die Leser der Helsinkier Stadtzeitung City verliehen der 48-Jährigen den Titel "bestgestylte Politikerin Finnlands". Die elegant gekleidete Chefin des Zentrums ("Keskusta"), einer nach jahrzehntelanger Agrariertradition auch heute noch wesentlich ländlich geprägten Partei, wurde als tough, karriereorientiert, modern und - ausgerechnet - besonders urban empfunden.
Dabei betonte die studierte Juristin im gemächlichen finnischen Wahlkampf immer wieder ihre ruralen Wurzeln: Sie sei eine bodenständige Bauerntochter, geboren im mittelfinnischen Lapua. Es sei gut, wenn man um seine Herkunft wisse. Die Menschen müssten Wurzeln haben, erklärte Jäätteenmäki, um geflügelt "zu neuen Abenteuern" aufbrechen zu können.
Solche Ansichten dankten ihr die Stammwähler des Zentrums vergangenen Sonntag an den Urnen. Und die liberalen Schichten im städtischen Großraum Helsinki/Espoo/ Vantaa stießen sich zumindest nicht daran: Jäätteenmäkis Wähler machten das Zentrum mit 24,7 Prozent der Stimmen zur stärksten Partei, sie selbst könnte zu Finnlands erster weiblicher Regierungschefin werden. Die dynamische Zentrumschefin würde damit den alten, so in sich ruhenden wie erfolgreichen Polithaudegen Paavo Lipponen (Sozialdemokraten) ablösen. Dessen Politik hatte sie im Wahlkampf als "inaktiv" bezeichnet und damit nach acht Jahren Lipponen die Stimmung vieler Finnen getroffen.
Erst seit vergangenem Juni steht die verheiratete Jäätteenmäki an der Spitze des Keskusta. Politisch unerfahren ist sie allerdings keineswegs. Seit 1987 ist sie Abgeordnete im Eduskunta, dem finnischen Parlament. In der Regierung Esko Ahos, dem sie als Parteichefin nachfolgte, hatte sie von 1994 bis 1995 das Amt der Justizministerin inne.
Wie in Zeiten Ahos (1991-1995) steht Finnland auch gegenwärtig vor großen Strukturproblemen. Das Gesundheitssystem steckt in einer nachhaltigen Krise. Knapp zehn Prozent der Finnen sind arbeitslos, mit der Telekomkrise erlahmte auch der wirtschaftliche Elan im Nokia-Land. 2002 verzeichnete das Land verhältnismäßig schwache zwei Prozent Wirtschaftswachstum. "Wir brauchen mehr Unternehmer in Finnland. Wenn wir so weitermachen, wird die Arbeitslosigkeit weiterhin so hoch bleiben", erklärte Jäätteenmäki dementsprechend in einem APA-Interview vor der Wahl.
Um diese Probleme finnisch effizient angehen zu können, signalisierte die Wahlsiegerin - ihr fiel der Auftrag zur Regierungsbildung verfassungsgemäß zu - bereits am Sonntag Koalitionsbereitschaft an Paavo Lipponens geschlagene Sozialdemokraten. (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 18.3.2003)