Zur Person

Sedat Pero (35) lebt seit acht Jahren als Publizist und Filmemacher in Wien.

Foto: Corn

Das Massaker von Bilgeköy schade dem Image der Türken in Europa massiv, sagt der türkische Kurde Sedat Pero. Im Gespräch mit Martina Stemmer erklärte er, warum er das politische System für das Verbrechen mitverantwortlich macht.

STANDARD: Was bedeutet das Massaker in Bilgeköy für das ohnehin teils recht angespannte Verhältnis zwischen türkischen Zuwanderern und alteingesessenen Österreichern?

Pero: Die Türken haben in Europa kein gutes Image. Dieses Verbrechen bestätigt einmal mehr die Vorurteile der Österreicher gegenüber den Türken.

STANDARD: Könnte auch der Graben zwischen Türken und Kurden in Österreich dadurch größer werden?

Pero: Nein, das glaube ich nicht, alle Seiten verurteilen das Massaker.

STANDARD: Wie tief sitzt der Schock innerhalb der Communitys?

Pero: Ich habe mit vielen Leuten gesprochen, das Verbrechen wird von niemandem akzeptiert, weder von der religiösen noch von der ideologischen Seite her. Ich sehe das Massaker als Ergebnis des türkischen Systems. Auf der einen Seite werden Zivilisten bewaffnet, auf der anderen werden die rückständigen Verhältnisse in diesem Gebiet vom Staat gefördert.

STANDARD: Das klingt so, als würden Sie sich nicht darüber wundern, dass 44 Menschen wegen eines Familienstreits ermordet wurden.

Pero: Es gibt diese Blutfehden in der Türkei immer wieder. Und es war sicher nicht die letzte, solange die Menschen nicht aufgeklärt sind. Aber in diesem Ausmaß, das stimmt, ist das bisher noch nicht passiert.

STANDARD: Sie sagen, das türkische System habe Mitschuld an diesen Verbrechen. Was müsste sich ändern?

Pero: Das Staatssystem muss sich auflösen. Das aktuelle türkische Denken hat mit dem europäischen Denken nichts zu tun. Etwa was Korruption oder die Minderheitenfrage betrifft. Außerdem müssen die Paramilitärs aufgelöst werden. Diese Dorfbeschützer werden sich dagegen wehren, ihre Waffen abzulegen, wenn es irgendwann demokratische Entwicklungen in der Türkei gibt. Das sind 70.000 Menschen, die dann zu echten Kriminellen werden.

STANDARD: Amokläufe passieren aber auch anderswo.

Pero: Stimmt. Aber ich sehe dieses Ereignis nicht als reinen Amoklauf, sondern auch als Folge eines Systems, das die feudalen Verhältnisse im Land fördert. ZUR PERSON: