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Drogba weiß, wo Övrebös Wagen steht.

Foto: Reuters

"Will es das Schicksal, dass Chelsea niemals die Champions League gewinnen soll?" jammert das englische Massenblatt The Sun.  Fast scheint es so, das dramatische Aus am Mittwochabend gegen den FC Barcelona ist jedenfalls ein besonders schmerzlicher Eintrag in der Reihe der Londoner Knapp-Danebens.

Doch hätte Didier Drogba in der 53. Minute statt des Schienbeins von Keeper Victor Valdes das lange Eck gefunden, müssten übersinnliche Verschwörungen vielleicht doch nicht bemüht werden. Ein 2:0 hätte die Entscheidung zugunsten der Engländer herbeigeführt, trotzdem Referee Henning Övrebö partout ohne Elfmeter das Auslangen finden wollte.

Wahlweise sechs bis sieben (John Terry) oder drei bis vier Verdachtsfälle (Guus Hiddink) monierte das Chelsea-Lager. Hätte der nur alle heiligen Zeiten im europäischen Topfußball engagierte Norweger einen Strafstoß verhängt, niemand hätte sich beschweren dürfen. Piqués Hand am Ball wäre vermutlich die beste Gelegenheit dafür gewesen. Ballacks Schuss an den Oberarm Eto'os die schlechteste. Die Körperbeherrschung und Kaltblütigkeit des praxisfernen ORF-Kommentators ("Der Arm hat da nichts zu suchen") würde sich wohl jeder Fußballer wünschen, der in der Hitze des Gefechts im Strafraum (sich wegdrehend) einen Schuss blockt.

Övrebö war nicht gut.  Eine ganze Reihe von, verständlicher Weise, hoch emotionalisierten Londoner Spielern haben ihm das auch unmissverständlich vermittelt. Besonders deutlich wurde Drogba, der den Norweger bis in den Kabinengang hinein wüst beschimpfte. Die UEFA wird in diesem Fall wohl noch tätig werden. Doch gerade der Ivorer bewegt sich auf schmalem Grat, seine des öfteren überhand nehmende Fallsucht schrammt oft an der Grenze zur Unsportlichkeit. Die nach ausbleibender Belohnung zur Schau gestellte theatralische Verzweiflung erscheint immerhin als Ausdruck eines wahrhaftig empfundenen Gefühls von Unverstandenheit. Doch die Behauptung, Övrebö hätte  Barcelona bevorzugt, wird allein schon durch den kuriosen Ausschluss von Eric Abidal nach etwas mehr als einer Stunde ad absurdum geführt.

Chelsea hätte sich den Aufstieg aufgrund seiner Cleverness, seiner Fokussiertheit und seiner Physis verdient. Das bessere Team stellten die Londoner deshalb aber noch lange nicht. Emsig wie die Liliputaner den riesenhaften Gulliver am Boden festschnürten, beschnitt Chelsea oft erfolgreich das Kombinationsspiel Barcelonas. Dass die Katalanen spielerisch das weitaus potentere Outfit darstellen, wurde aber auch an der Stamford Bridge mehr als einmal deutlich. Es war klar: Würde den Katalanen auch nur einmal erlaubt, den kleinen Finger zu rühren, würde das für Chelsea schmerzhaft enden. Genau das war es, was sich in der 93. Minute zutrug. Messi setzte Iniesta in Szene, der endlich und erstmals die freie Schussbahn vorfand, die er brauchte. Das geschah spät, war aber doch immer möglich. 

Man kann das schon glücklich nennen, doch wie nennt man dann den Volley von Michael Essien? Die spektakuläre Führung der Londoner bei erstbester Gelegenheit (Und sie entsprang nebenbei im Gegensatz zum Ausgleich nicht einem kontrollierten Spielzug.) war aus Gästesicht der schlechtest mögliche Spielverlauf. Sie reagierten darauf mit Unverdrossenheit und den ihnen ureigensten Mitteln. 

Dass Hiddink in der Schlussphase gegen einen dezimierten Gegner mit dem offenbar leicht angeschlagenen Drogba seinen gefährlichsten Mann vom Feld nahm, um ihn durch Mittelfeldmann Juliano Belletti zu ersetzen, könnte noch Stoff für Diskussionen geben. Barcelonas Abwehrformation, die  ohne das bewährte Innenverteidiger-Tandem Puyol/Marquez auskommen musste, wird es ihm gedankt haben. (Michael Robausch - derStandard.at 7.5. 2009)