Die polnische Meinungsforscherin Mirosława Grabowska besuchte in Wien die internationale Konferent "Öffentliche Meinung und Europa", veranstaltet vom Österreich-Französischem Zentrum.

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Tschechien und Polen haben eines gemeinsam. Ihre Präsidenten sorgen innerhalb der EU des öfteren für Kopfschütteln. Und sie sind um einiges EU-kritischer als ihre Bürger und Bürgerinnen. Vaclav Klaus hat schon recht früh deutlich gemacht, dass er nicht plant, den Vertrag von Lissabon zu unterschreiben, solange in Irland die zweite Volksabstimmung nicht positiv ausgeht. Und auch der nationalkonservative Kaczynski schloss sich seiner Meinung an und fährt einen Blockadekurs. Bisher galt Kaczynski als Unterstützer des Vertrages von Lissabon, schon alleine deswegen, weil er höchstpersönlich im neuen Entwurf einiges für Polen herausholen konnte.

Kaczyńskis als Helden

Damals, gerade zurückgekehrt vom EU-Junigipfel 2007, ließen sich die Kaczyński-Brüder für ihren Deal feiern wie Helden. Das Zwillingsbrüderpaar Lech und Jaroslaw hatten zuvor den Gipfel mit ihrer Forderung nach einer Ioannina-Klausel fast zum Scheitern gebracht. Mit diesem Instrument kann eine knapp unterlegene Minderheit durchsetzen, dass über einen Mehrheitsbeschluss zumindest einige Monate lang weiterverhandelt wird. Um Polen umzustimmen, wurde dem Land außerdem erstmals der feste Posten eines Generalanwalts am Europäischen Gerichtshof zugesprochen.

Lech Kaczynski hat dem Vertrag also durchaus seinen Stempel aufgedrückt. Seinen Stimmungswandel erklärt die polnische Meinungsforscherin Mirosława Grabowska, Leiterin des Public Opinion Research Center in Warschau so: "Kaczynski war immer schon skeptisch und befangen, was die EU betrifft und sorgte sich um die Souveränität des Nationalstaates Polen. Sein Verhalten liegt aber auch in der speziellen polnischen Situation begründet". In Polen, so Grabowska, seien die Kompetenzen von Premierminister und Präsident zu unscharf getrennt. Das sei eine Schwäche der neuen Verfassung. "Vertragen sich die Personen in diesen Ämtern, ist das kein Problem, tun sie es nicht, so kommt das heraus, was wir jetzt haben." Kaczynski würde der Regierung von Donald Tusk auch den Erfolg nicht gönnen.

Imageproblem

Müsste das Volk in Polen über den Vertrag von Lissabon entscheiden, dann würde es mit "Ja" stimmen. Deutlich über 50 Prozent der polnischen Bevölkerung sprach sich für die Ratifizierung des Vertrages von Lissabon aus. Letztlich wird der Präsident meiner Meinung nach unterschreiben müssen. Das wäre auch ein Imageproblem für ihn. Denn auch wenn das Thema sicher keine Hallen füllt, meint Grabowska, so vetraue das Volk der Integrität der EU immer noch mehr als seiner eigenen Regierung.

Historischer Tiefpunkt

Die Bevölkerung in Polen sei sogar geradezu "EU-fanatisch, erklärt Grabowska. 85 Prozent der Polen unterstützen derzeit die Mitgliedsschaft Polens, mehr als im Jahr des Beitritts 2005. Trotzdem prognostizieren verschiedenste Umfragen, dass die Wahlbeteiligung bei den EU-Wahlen auf 14 Prozent sinken könnte. Das wäre ein historischer Tiefpunkt. "In Polen wird auch der EU-Wahlkampf dominiert von der fanatischen Rivalität zwischen den beiden starken Parteien, der regierenden Bürgerplattform (von Ministerpräsident Tusk, Anm.) und der oppositionellen PiS (Recht und Gerechtigkeit, der Kaczynski angehört, Anm.)", erklärt Grabowska diese Diskrepanz zwischen EU-Befürwortung und Partizipation. "Die Leute sind einfach müde". (mhe, derStandard.at, 10.5.2009)