"Heute ist ein schwarzer Tag für die österreichische Forschung", sagt der Hochenergiephysiker Christian Fabjan. Der Grund: Das Wissenschaftsministerium hat gestern überraschend beschlossen, dass Österreich mit Ende 2010 aus dem Cern aussteigt, der 1954 gegründeten Europäische Organisation für Kernforschung.

Wissenschaftsminister Johannes Hahn begründet diesen Schritt vor allem mit Budgetknappheit: Die Kosten in Höhe von insgesamt rund 20 Millionen Euro pro Jahr für die Beteiligung seien 70 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel für internationale Mitgliedschaften. Sie sollen in Zukunft in Beteiligungen zahlreicher neuer Projekte auf europäischer Ebene gesteckt werden.

Geringe Sichtbarkeit

Es gehe darum, "das Forschungsprofil zu schärfen", so Johannes Hahn. Die Sichtbarkeit kleiner Staaten bzw. einzelner Wissenschafter bei den riesigen Cern-Experimenten mit rund 2000 Akteuren sei aber "eher gering". Zudem gebe es für die seit 1959, also genau 50 Jahre bestehende, Cern-Mitgliedschaft Österreichs hierzulande "nur einen Brückenkopf", das Institut für Hochenergiephysik (Hephy) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Wien.

Die Wissenschafter sind von der Entscheidung überrumpelt worden und entsprechend aufgebracht. "Für mich ist die Entscheidung nicht nachvollziehbar", sagt Felicitas Pauss, aus Österreich stammende ETH-Professorin für Teilchenphysik, die im Vorjahr vom Wissenschaftsminister bei ihrer Kandidatur für die Cern-Leitung unterstützt worden war.

Die international renommierte Physikerin ist seit Jänner 2009 als Koordinatorin für externe Beziehungen tätig. Sie wäre damit nach dem Cern-Generaldirektor bei Problemen von Mitgliedsländern die zweite Ansprechperson. Mit ihr habe aber noch niemand aus Wien Kontakt aufgenommen, um etwaige Probleme bei den Beitragszahlungen zu besprechen.

Für Christian Fabjan, Leiter des Hephy und langjähriger Mitarbeiter am Cern, ist völlig unverständlich, dass man nun kurz vor dem Start der weltgrößten Forschungsmaschine, dem LHC (Large Hadron Collider), den Austritt anstrebe. "Damit fallen wir hinter Albanien zurück. Denn die bemühen sich um einen Beitritt", ergänzt Wolfgang Lucha vom Hephy. Seine Sorge: "Dadurch werden wir beim Teilchenbeschleuniger LHC vielleicht Mitarbeiter zweiter Klasse. Freie Mitarbeiter."

Im Wissenschaftsministerium verweist man auf die Budgetsituation. "Wir können nicht mehr ausgeben als wir haben", sagt Daniel Weselka, Leiter der Abteilung für Naturwissenschaften. Es sei wichtig, andere internationale Partnerschaften nicht durch die eine am Cern zu gefährden.

Felicitas Pauss wiederum sieht nicht nur die heimische Teilchenphysik gefährdet. "Es würde der internationalen Reputation Österreichs in der Wissenschaftswelt insgesamt sehr schaden, wenn Österreich aus dem Cern austritt."


Schäden für die Wirtschaft

Neben der heimischen Wissenschaft wäre aber auch die Wirtschaft betroffen: Michael Scherz, Leiter des Büros für Internationale Technologiekooperation der Außenwirtschaft Österreich, schätzt, dass 30 bis 35 Kooperationen zwischen heimischen Unternehmen und dem Cern eingegangen wurden - dazu zählen Medaustron (ein Krebsbehandlungs- und Forschungszentrum in Wiener Neustadt) genauso wie das Versicherungsunternehmen Uniqa, wo alle Mitarbeiter am Genfer Zentrum krankenversichert wurden.

"Natürlich habe ich keine Freude mit dieser Entscheidung, man muss aber auch sehen, dass wir in Zeiten der leeren Kassen leben", sagte Scherz.

Im Herbst wollte man mit interessierten Firmen nach Genf fahren. Ob das nun Sinn macht, steht wohl in den Sternen. Bei Medaustron hofft man natürlich, dass die Kooperation durch den Austritt nicht gefährdet ist. Martin Schima, Geschäftsführer der Errichtungs- und Betriebsgesellschaft (EBG) Medaustron, zeigt sich jedenfalls kämpferisch: "Wir werden alles tun, damit die Zusammenarbeit fortgeführt werden kann." (Peter Illetschko Klaus Taschwer, DER STANDARD Printausgabe, 8. Mai 2009)