Über Jobchancen in der Finanzwirtschaft diskutierten (v.li.) Peter Bosek , Wolfram Littich , Karin Bauer (STANDARD), Günther Tengel , Guido Eperjei und Joachim Kappel.

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Der Finanzsektor befindet sich im Umbruch. Welche Jobchancen es gibt und warum es gerade für diese Branche schwierig ist, passende Talente zu finden, wurde am Montag in der Allianz Elementar diskutiert.

Intern wird in den Banken viel hin- und hergeschoben, großräumige Kündigungswellen gibt es in Österreich aber (derzeit noch) nicht, so lautete der Grundtenor der Podiumsdiskussion über "Jobkrise im Finanzbereich: Wo gibt es Chancen", zu der der Finanzmarketingverband (FMVÖ) am Montag in die Allianz in Wien geladen hatte.

Dass die Belegschaften der österreichischen Banken nicht wesentlich verkleinert werden, liege auch daran, dass in Österreich beim Investmentbanking nicht so übertrieben wurde wie in den USA, so Peter Bosek, Vorstand der Erste Bank für Retail, Private Banking und Wohnbau. "Deshalb kann dieses Geschäft nicht so einbrechen."

"Back to the roots"

Nichtsdestotrotz stelle die Finanzkrise für den Bankensektor einen Systembruch dar. "Back to the roots" laute die Devise der Banken, wo das Hauptgeschäft wieder mit den Kunden und nicht mit anderen Banken abgewickelt werde, so Bosek. Über einen längerfristigen Zeitraum werden sich die Geschäftsmodelle der Banken ändern, dafür werden sie sich strukturell anders aufstellen müssen, ist Bosek überzeugt. „Die Zeit der Investmentbanker ist jedenfalls vorläufig vorbei", so Bosek.

Weniger Einnahmen, weniger Schäden

Von einer Strukturkrise weit entfernt sieht sich die Versicherungsbranche, "weil das Geschäftsmodell nicht infrage gestellt wird", so Wolfram Littich, Vorstandsvorsitzender der Allianz Elementar Versicherung. Zum Teil seien zwar die Einnahmen etwas zurückgegangen, aber "kurioserweise" auch die Schadensfälle, so der Experte. In der Branche seien derzeit 26.000 Mitarbeiter beschäftigt, weitere 3000 werden gesucht und seien auch jetzt nur schwer zu finden, ergänzt Littich. Dass den Vertriebsmitarbeitern noch immer ein Keilerimage anhaftet, trage dazu sicherlich bei, so Littich. Dass auch die Kundenbetreuung ein Imageproblem habe, ergänzt Bosek. Bei der Erste Bank werde vieles unternommen, um dieses Bild zurechtzurücken.

Nachwuchs fehlt

Einen weiteren Grund für die Recruiting-Schwierigkeiten sieht Günther Tengel, Eigentümer von Jenewein&Partner darin, dass der Versicherungsbereich zu wenig in die Mitarbeiterentwicklung investiert habe. "Und jetzt fehlt der Versicherungsbranche der Nachwuchs." Das sei aber kein Resultat der Krise, sondern liege auch an den Jobprofilen, die immer enger geschnürt werden, obwohl das nicht wirklich gebraucht werde. Für eine sinnvolle Restrukturierung und notwendige Costcutting-Maßnahmen sei der Kopf in vielen Versicherungsunternehmen nicht frei. „Es wird auf vielen Ebenen gespart, aber oft nicht auf den richtigen", so Tengel.

Einen Grund für die Herausforderung bei der Suche nach passenden Vertriebsmitarbeitern sieht Guido Eperjesi, Manager bei Deloitte Human Capital, auch im mangelnden Nachschub aus den Ausbildungsstätten. „Erst seit zwei, drei Jahren gibt es auf der Wirtschaftsuniversität etwas, das mit Vertrieb zu tun hat", so Eperjesi. Gleichzeitig kritisiert er die schmale Recruiting-Pipeline.

Verkauf auf Augenhöhe

"Der Vertrieb sollte die Struktur unserer Gesellschaft widerspiegeln, damit Verkauf auf Augenhöhe möglich ist. Personen mit Migrationshintergrund sind aber in diesem Bereich nach wie vor nicht zu finden", ergänzt Eperjesi.

Auch für Joachim Kappel, Geschäftsführer der Joachim Kappel Management Consultants, sind die viel zu engen Anforderungsprofile ein Teil des Problems. „Denn fachspezifische Vorkenntnisse sind für viele Positionen nicht das Entscheidende, es kommt auf die Persönlichkeit an." Und da seien gerade jetzt Menschen gesucht, die offen die schwierige Situation ansprechen können, ohne eine gefährliche Stimmung zu produzieren, so Kappel.

Marketing in, Vertrieb out

"Nur die Persönlichkeit lässt sich aus dem Lebenslauf eben nicht so leicht herauslesen", hält Littich entgegen. Gerade bei der Kundenbetreuung seien die Jobprofile ganz und gar nicht eng, gesucht werde sowohl unter Universitätsabsolventen als auch unter jenen mit Lehrabschluss. Dennoch sind bestimmte Jobs, als Beispiel nennt Littich das Marketing, besonders nachgefragt, andere (Vertrieb) wiederum gar nicht.

Hier sei mehr Ehrlichkeit von allen Seiten gefordert, meint Tengel. „Dazu gehört, schon bei der Ausbildung Berufsbilder so zu kommunizieren, wie sie tatsächlich sind. Und Unternehmen sollten sich klarer darüber sein, dass kaum jemand ihrem Idealprofil entsprechen kann." (Gudrun Ostermann/DER STANDARD; Printausgabe, 9./10.5.2009)