Gleich ein Geständnis: Ich komme aus ärmsten Verhältnissen, aus sozialdemokratischem Milieu und bin katholisch (Internat!) geprägt. Auf die Sache mit Kamel, Nadelöhr und den Reichen bin ich somit konditioniert. Ich kenne bittere Armut: Ich bin damit aufgewachsen. Ich kenne Reiche: Mit einigen von ihnen ging ich ins Internat, ihre Eltern zahlten mein Schuldgeld. Mit einem Superreichen, einem Schilling-Milliardär, habe ich eine Weile eng zusammengearbeitet. Er war der Herr, ich sein exzellent bezahlter Knecht. Meine Vorbehalte gegen die Reichen wurden dabei nicht kleiner; sie mit Vermögenssteuern zu quälen, erscheint mir durchaus sympathisch.

Wer wollte in seiner Kindheit schon der Sheriff von Nottingham sein? Wir waren alle Robin Hood - auch die Kinder der Reichen. Eat the rich - das ist ein gutes Gefühl im Bauch. Aber die Linke - als Sozialdemokrat zähle ich mich zu ihr - ist eine Tochter der Aufklärung. Daher sollte man auch beim Thema "Vermögen" das Hirn einschalten.

Da hapert es leider, symptomatisch jene "Kalkulation", die derzeit durchs Netz geistert, mit der mich kritische Geister zugemüllt haben. Da wird vorgerechnet, dass die Aufteilung der 700 Milliarden Dollar für die US-Banken jedem der 6,7 Milliarden Erdlinge 104 Millionen Dollar bringen würde. Eat the rich statt Nachrechnen, denn mit dem richtigen Ergebnis, läppischen 104 Dollar, wird es nix mit der Armutsbeseitigung.

In Österreich schätzt man das Vermögen der 100 Reichsten auf 400 Milliarden. Bei Totalenteignung reicht das gerade zur Abdeckung der österreichischen Kreditrisken im Osten. Der ganze Lehman-&-Co-Mist ist da nicht abgedeckt - ebenso wenig wie die Kosten von Kurzarbeit, Firmenpleiten, Steuerausfällen usw.

Symbolische Häppchen 

Würde man die alte Vermögenssteuer (ein Prozent) wieder einführen, kämen zwar imposant klingende vier Milliarden Euro im Jahr herein, aber es würde 100 Jahre lang dauern, den Worst Case allein die Reichen bewältigen zu lassen. Und: Reichtum ist immer international, die Armut lokal, sie kann nicht flüchten, der Reichtum sehr wohl. Wir können den Reichen symbolisch ein bisserl was wegnehmen - das wird gerade fürs Amuse-Gueule reichen. Die restlichen Gänge berappt der Mittelstand.

Die Diskussion über eine Reichensteuer ist unernst. Zu diskutieren wäre, wie die finanzielle Leistungsfähigkeit des Mittelstandes gestärkt werden kann und wie wir 2,8 Millionen Erwerbstätige finanziell so stellen, dass sie wieder Beiträge zur Einkommenssteuer leisten können. Einträgliche Vermögenssteuern würden übrigens zu einer Umverteilung nach oben führen: Während Reiche eine solche Steuer aus der Portokassa zahlen können, ginge sie beim Mittelstand an die Substanz, da dessen Geldvermögen meist nicht ausreicht, um Steuern auf das ertragslose Vermögen zu verdienen.

Zum Abschluss eine kleine Anregung für das nächste verregnete Wochenende: Spielen sie mit Freunden "Vermögensrechnung". Laden Sie aber nur Leute ein, die sich nicht für reich halten. Einfache Regel: Jeder addiert seine Vermögenswerte. Nichts vergessen! Weder die goldene Uhr, noch die Eheringe, Wohnung, Schrebergartenhäuschen, Perlenkette, Auto und Silberbesteck, die CDs und Bücher, den neuen Flatscreen und den schmucken Mac, die Lebensversicherung.

Gerechterweise muss auch der Barwert des staatlichen Rentenanspruchs mitgerechnet werden. Sie werden sich wundern, wer aller über jene 500.000 Euro kommt, die angeblich den Beginn des Reichtums markieren. (Michael Amon, DER STANDARD-Printausgabe, 9./10.2008)