Die Arbeitslosigkeit der Dreißigerjahre war das prägende politische Erlebnis einer ganzen Generation von Politikern. Die heutige SPÖ und die ÖVP haben allen Grund, einen Anstieg der Arbeitslosigkeit zu fürchten. Die Zahlen sind ein böses Omen. Im April schnellte die Arbeitslosigkeit gegenüber demselben Monat des Vorjahres um 26 Prozent hinauf, der Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit war noch um einige Prozentpunkte höher.

Die Frage ist, wie grimmig die Zukunft wird. Die EU-Kommission hat in ihrer eben erschienenen Frühjahrsprognose für Österreich einen Anstieg der Arbeitslosigkeit von 3,8 Prozent im Jahr 2008 auf 6,0 Prozent im Jahr 2009 und auf 7,1 Prozent im Jahr 2010 vorhergesagt (dies ist die Berechnung nach der Eurostat-Definition, die den Begriff um einiges "enger" fasst als jene der nationalen österreichischen Zählweise; nach österreichischer Definition hatten wir 2008 5,8 Prozent und müssten dann in den Folgejahren entsprechend höhere Raten haben).

Wie auch immer: Es wird wohl zu einem kräftigen Anstieg der Arbeitslosigkeit kommen, der auch das ganze Jahr 2010 über anhält. Faymann und Pröll können sich schon einmal Sorgen machen.

Die Dreißigerjahre des vorigen Jahrhunderts bieten keinen angenehmen Anschauungsunterricht. Die Arbeiter und die Kleinbürger, denen die Existenz unter den Füßen weggezogen wurde, liefen in hellen Scharen zu den Nationalsozialisten über. Dass deren "ordentliche Beschäftigungspolitik" (Jörg Haider) auf Rüstung und Krieg ausgerichtet war, wollte lange niemand wahrhaben.

Arbeitslosigkeit bedeutet politische Radikalisierung, bedeutet in Österreich nicht einen Schwenk nach links, sondern nach ganz rechts - allerdings in der Variante eines nationalen Sozialismus: Der Staat verteilt freigebig soziale Wohltaten, allerdings nur an die eigenen "Volksgenossen". Die anderen werden ausgeschlossen, im Extremfall ausgeraubt (und später ermordet).

Zwischen der "Arisierung" seinerzeit und dem von der FPÖ geforderten Ausschluss der "Ausländer" aus dem österreichischen Sozialstaat ist ein großer Unterschied - aber auch ein großer gradueller Unterschied ist eben nur ein gradueller Unterschied.

Eine gewisse Unruhe ist auch da, vor allem bei den Jungen. Dass wegen der schulautonomen Tage schlag-artig 60.000 Schüler auf die Straße zu bringen waren, hat wohl auch mit Zukunftsangst und dem Gefühl, "verraten" worden zu sein, etwas zu tun.

Der Vergleich mit den Dreißigerjahren gilt freilich nur bedingt. Damals waren 25 Prozent arbeitslos, und die Wirtschaftsleistung sank um ein Drittel. Menschen verhungerten, weil das soziale Netz viel schwächer war. Auch der allgemeine Wohlstandssockel ist jetzt viel höher, desgleichen die Bereitschaft des Staates, sofort mit "Arbeitsplatzmaßnahmen" einzugreifen.

Aber zuletzt war die Arbeitslosenquote Ende der Neunzigerjahre über sieben Prozent (nach österreichischer Zählweise) gestiegen - und das war gleichzeitig die Hochwassermarke der Wahlerfolge Jörg Haiders. (Hans Rauscher, DER STANDARD-Printausgabe, 9./10.5.2009)