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Für ManUnited-Star Cristiano Ronaldo geht es noch lange nicht um das letzte Hemd, wohl aber für sehr viele Spitzenklubs.

Foto: REUTERS/Phil Noble

London/Madrid - Alex Ferguson und Arsène Wenger, die Trainer von Manchester United bzw. Arsenal, sind selten einer Meinung. Doch einhellig warnten der 67-jährige Schotte und der 59-jährige Elsässer im Vorfeld ihres "Battle of Britain" genannten Aufeinandertreffens um den Einzug ins Finale der Champions League (ManUnited setzte sich mit dem Gesamtscore von 4:1 durch) vor dem baldigen sportlichen Absturz des englischen Fußballs. Das mutet umso seltsamer an, als im zweiten Halbfinale Chelsea gegen den FC Barcelona bei gesamt 1:1 nur wegen der Auswärtstorregel den Kürzeren zog.

Die Argumente der Coaches sind allerdings gewichtig. Sie führen drohende neue Steuergesetze an, die das Königreich angesichts der allgemeinen Finanzkrise ersinnt. Es gibt Pläne, für Jahreseinkommen ab 170.000 Euro für jeden Euro mehr 50 Prozent an Steuern zu verlangen. Deutlich über dieser Einkommensgrenze liegen aber praktisch alle Profis der Premier League, jene der Spitzenvereine sogar dramatisch. Kommt das Gesetz, setzt eine Flucht an Starfußballern ein. Fürchten jedenfalls Ferguson und Wenger. Die sportliche Dominanz sei dann sehr bald nur noch Geschichte.

Für die Premier League wären die personellen Verluste vielleicht sogar ein Segen, sind doch die englischen Profivereine gegenwärtig mit insgesamt 3,85 Milliarden Euro verschuldet. Nach Angaben von David Triesman, dem Vorsitzenden des Fußballverbandes, sind Manchester United, der FC Liverpool, Chelsea und Arsenal für ein Drittel der Verschuldung, rund 1,2 Milliarden, verantwortlich. Die Schuldengebirge werden täglich auch deshalb höher, weil die bestdotierten Spielerverträge auf Euro- oder Dollar-Basis abgeschlossen wurden. In Zeiten des Verfalls des Pfunds ist das doppelt dramatisch.

Hinzu kommt, dass die Geldgeber der Vereine selbst auf rutschendem Grund stehen. Manchester United, der weltweit umsatzstärkste Klub, braucht für die nächste Saison einen neuen Trikotsponsor, nachdem der Versicherungskonzern AIG vom amerikanischen Staat vor dem Bankrott gerettet werden musste. Der letzte Teil des Deals über 56,5 Millionen Pfund über vier Jahre ging also zulasten der US-Steuerzahler. Dazu hat die Familie Glazer, die die Aktienmehrheit bei ManUnited hält, den größten Teil ihrer Verbindlichkeiten dem Verein umgehängt. Große Investitionen sind so nur noch durch vorhergehende Verkäufe zu stemmen. Manchesters Interesse am Franzosen Franck Ribéry ist eng an die Frage des möglichen Verkaufs von Cristiano Ronaldo an Real Madrid gekoppelt.

Bei Chelsea deckt Roman Abramowitsch noch immer Saison für Saison die größten Verluste ab. Einschneidende Sparmaßnahmen beim Personal jenseits der Kampfmannschaft zeigten jedoch, dass der russische Oligarch auf seine Vermögenseinbußen - von rund 23,5 Milliarden auf nur noch 3,3 Milliarden Dollar - reagieren muss.
Arsenal, dessen Aktienmehrheit in ausländischen Händen liegt, hat mehr als 300 Millionen Euro Schulden. Der Börsenwert des Vereins liegt aktuell bei rund 590 Millionen.

Am relativ besten vom Halbfinalquartett steht der nunmehrige Finalist FC Barcelona mit Verbindlichkeiten von rund 189 Millionen Euro da. Die Katalanen leisten sich sogar den Luxus, für die erstmalige Werbung auf ihren Trikots zu bezahlen - 1,5 Millionen pro Saison an das Uno-Kinderhilfswerk Unicef. Insgesamt ist die spanische Primera División jedoch mit drei Milliarden verschuldet. Die Immobilienkrise - viele Vereinsgewaltige verdienen ihr Geld in diesem Sektor - und die hohen Eintrittspreise, die sich viele Aficionados nicht mehr leisten können, verschärfen die Situation.

Valencia, Champions-League-Finalist 2000 und 2001, steht mit 550 Millionen in der Kreide und vor dem Aus. Nicht viel besser geht es Deportivo La Coruña, im Jahr 2000 spanischer Meister und noch 2004 im Halbfinale der Champions League.
Real Madrid hat zwar laut einer Studie einen Marktwert von mehr als einer Milliarde, real aber Verbindlichkeiten in Höhe von 400 Millionen. Dabei waren die Königlichen durch den Verkauf des Vereinsgeländes an die Stadt schon entschuldet. Neue Kredite sind nicht in Sicht, und die spanische Finanz, in puncto Fußball bisher mehr als nachsichtig, hat eine härtere Gangart angekündigt.

Die Probleme fanden schon in dieser Saison europäischen Ausdruck. Im Uefa-Cup war die Primera División ab dem Achtelfinale nicht mehr vertreten. (Sigi Lützow, DER STANDARD, Printausgabe, Montag, 11. Mai 2009)