Die SPÖ ist lernfähiger, als ihre Kritiker glauben. Jahrzehntelang wurde ihr vorgeworfen, mit Vermögen - vor allem jenem der Allgemeinheit - nicht nach nüchtern-betriebswirtschaftlichen, sondern verschwenderisch- politischen Kriterien umzugehen. Heute verhalten sich die Sozialdemokraten wie schnöde Kapitalisten. Ausgerechnet die zornigen Roten aus Oberösterreich und der Steiermark legen ihr Geld steuergünstig in Stiftungen an und nützen ein "Privileg der Superreichen" , das sie gern kritisieren.

Ein skandalöser Fall von Doppelmoral? Wohl kaum, wenn man die gängigen Maßstäbe anlegt. Nach strenger Logik müssten sonst auch ÖVP-Politiker, die Aktien (ver)kaufen, freiwillig Transaktionssteuer abführen, weil ihre Partei eine solche nun fordert. Und die Autofahrer bei den Grünen (ja, so was gibt's) hätten die Pflicht, für jeden getankten Liter Benzin einen Euro extra zu zahlen, weil der Verbrauch fossiler Brennstoffe ja belastet gehört.

Politiker sollen zwar mit gutem Beispiel vorangehen, wirklich weiter hilft derartiger Aktionismus aber nicht. Es geht nicht darum, dass Volksvertreter ihre persönliche Ehrenhaftigkeit demonstrieren, indem sie Verzicht üben oder wie Feudalherren milde Gaben verteilen. Regieren bedeutet, allgemein gültige Rahmenbedingungen - in diesem Fall ein ausbalanciertes Steuersystem - zu schaffen, um die Gesellschaft zumindest ein bisschen zum Besseren zu verändern. Wer darauf zählt, dass sich die Betroffenen großzügiger verhalten, als es die Gesetze vorschreiben, baut auf Sand. (Gerald John/DER STANDARD, Printausgabe, 11.5.2009)