Mainz - Der bisher früheste sichere Nachweis dafür, dass Menschen Schmuck verwendet haben, gelang einem internationalen Team von Archäologen nahe der ostmarokkanischen Stadt Taforalt. Die 47 handbearbeiteten Muscheln, die sie hier in einer Kalksteinhöhle fanden, sind laut Angaben der Forscher möglicherweise bis zu 110.000 Jahre alt. Die ältesten eindeutig dem Homo sapiens zugeordneten Knochenfossilien sind 160.000 Jahre alt, die ältesten außerhalb Afrikas gefundenen Fossilien 100.000 Jahre - und würden damit aus einer Zeit stammen, in der man sich in Afrika bereits mit Schmuck behängt hat. In Europa gefundene vergleichbare symbolische Objekte sind nicht einmal halb so alt wie die Muscheln aus Marokko.

Die Grotte de Taforalt, eine von der UNESCO zum Weltkulturerbe erhobene Fundstätte in Marokko, hat bereits in der jüngsten Vergangenheit für Aufsehen gesorgt. Dank gebrannter Steinartefakte konnte man die Bodenschicht der Höhle, in der man zahlreiche Reste früher menschlicher Kulturen vorfand, auf ein sicheres Alter von 82.000 Jahren datieren. Die darunter liegende Sedimentschicht, in der die Archäologen nun unter anderem mehrere Muscheln von der Größe eines Fingernagels entdeckten, ist jedoch bedeutend älteren Ursprungs. Auch wenn die genaue Datierung der Schicht erst im Lauf des Jahres erfolgen kann, gehen die Archäologen davon aus, dass es sich bei ihrem Fund um den frühesten prähistorischen Schmuck handelt.

Bearbeitungsspuren

"Dass Menschen damals bereits Schmuck kannten, ist ein Beweis für eine sehr entwickelte Gesellschaft, die sich um mehr als nur um tägliche Nahrung, Wasser sowie Schutz vor Raubtieren und Kälte kümmerte", erklärt Elaine Turner, Grabungsteilnehmerin und Archäologin am Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz. Beweisen könne man die Verwendung der Muscheln als Schmuck durch mehrere Tatsachen. "Einerseits ist der Fundort über 30 Kilometer vom Meer entfernt, was darauf schließen lässt, dass die Muscheln bei Jagd- oder Wanderzügen gesammelt wurden. Ein zweiter Hinweis sind die mikroskopischen Kratzer rund um die Bohrlöcher, die eindeutig von der Reibung einer Schnur stammen, auf der die Muscheln aufgefädelt waren. Einige Muscheln waren schließlich auch mit Ockerfarbe verziert", so die Mainzer Archäologin.

Nachweise für die Verwendung von Schmuck reichen in Afrika, der "Wiege der Menschheit", viel weiter zurück als auf allen anderen Kontinenten. "Außer den marokkanischen Muscheln fand man auch in der südafrikanischen Blombos-Höhle Muschelschmuck, der 72.000 Jahre alt ist. Ähnliche Schmuckfunde in Algerien und am Berg Karmel in Israel könnten noch älter sein, jedoch ist hier die Datierung schwieriger", erklärt Turner. Daneben machen sich die ältesten symbolischen Objekte Europas mit einem Alter von 40.000 Jahren wie bessere Antiquitäten aus. "Man kann darauf schließen, dass der moderne Mensch bei den Auswanderungen aus Afrika symbolische Objekte mitgenommen hat", so die Altsteinzeit-Spezialistin. (pte/red)