Zur Person:
Ingrid Dohnal ist ausgebildete Sozialarbeiterin und war elf Jahre als Betreuerin in einem Frauenhaus beschäftigt. Seit 1996 ist sie in der Geschäftsführung des Vereins "Wiener Frauenhäuser" als Assistentin der Geschäftsführung tätig. Dohnal hat eine 22-jährige Tochter - Johanna Dohnal - und einen 16-jährigen Sohn, Sebastian Dohnal.

Foto: privat

"Unbedingt" möchte sich Ingrid Dohnal, Tochter von Österreichs erster Frauenministerin Johanna Dohnal, als Feministin bezeichnen. Ihre Mutter hat fraglos frauenpolitische Pionierarbeit geleistet, von deren Errungenschaften viele profitieren. Ingrid Dohnal fällt aber auf, "dass viele emanzipierte Frauen meinen, dass wir keinen Feminismus mehr brauchen. Dabei vergessen sie aber, dass sie das nur sagen können, weil sie schon emanzipiert sind. Da sollte schon reflektierter nachgedacht werden und auch geschaut werden, wie es anderen Frauen geht."

Trotz einigen positiven Entwicklungen ist das Wort "Feministin" oder "Feminismus" nach wie vor negativ besetzt, so Dohnal, "was ich überhaupt nicht verstehen kann". Denn wesentliche Errungenschaften von Frauen wie Johanna Dohnal kann die Sozialarbeiterin ohne langes Überlegen aufzählen: "Auf jeden Fall war der straffreie Schwangerschaftsabbruch ein wichtiger Verdienst, auch die verbesserten Ausbildungschancen für Frauen. Und die Thematisierung von Gleichstellung im Beruf, wenn diese zwar noch nicht erreicht ist, wurde sie zumindest auf Schiene gebracht. Wichtig ist auch, dass Gewalt in Beziehungen kein Tabu mehr ist und strafrechtliche Konsequenzen hat, dass der Mann nicht mehr Haushaltsvorstand der Familie ist und es mehr Frauen in der Politik gibt."

Hinterfragen war wichtig

Eine Phase, in der Ingrid Dohnal das in der Familie Dohnal stets präsente Thema Feminismus satt hatte, gab es nicht, nicht zuletzt deshalb, da das "Hinterfragen verschiedenster Themen in unserer Familie immer eine große Rolle spielte." Dohnal ist sich somit auch sicher, dass die politische Arbeit und das feministische Bewusstsein ihrer Mutter großen Einfluss auf sie hatte: "Wenn man so aufwächst wie ich und nichts anderes hört wie Feminismus, ist die Frage: Wie kann man sich da anders entwickeln?". Genauso, wie es ihrer Mutter ein wichtiges Anliegen war, dass ihre Kinder eine gute Ausbildung erhalten, ist das Ingrid Dohnal für ihre Kinder auch besonders wichtig. Ein selbstbestimmtes Leben zu führen war auch ein zentraler Anspruch: "Es war mir immer sehr wichtig mein eigenes Geld zu verdienen und auf eigenen Füßen zu stehen. Wenn man so aufwächst wie ich, sind leider auch die Ansprüche an Männer sehr hoch."

Nicht immer einfach für die Tochter der wohl berühmtesten Frauenministerin Österreichs waren hingegen Erlebnisse, die sich beispielsweise bei gemeinsamen Spaziergängen mit ihrer Mutter zutrugen oder wenn sie ihren Namen nannte. "Einerseits waren wir stolz, dass unsere eigene Mutter Staatssekretärin oder Ministerin ist. Auf der anderen Seite gab es natürlich unterschiedliche Reaktionen, wenn klar wurde, dass ich die Tochter von Johanna Dohnal bin. Entweder man war freundlich oder eben nicht. Wenn ich mit meiner Mutter unterwegs war, war die Privatsphäre weg. Manche kamen her und wollten etwas Bestimmtes oder haben gratuliert, andere gaben wüste Beschimpfungen und Abfälligkeiten von sich. Heute bin ich hingegen gerührt, dass meine Mutter so viele positive Reaktionen hervorruft und das völlig zu Recht."

Keine utopischen Forderungen mehr

Zur heutigen Haltung der breiten Öffentlichkeit gegenüber feministischen Forderungen meint Dohnal: "Feministische Themen haben heute mehr Normalität. Man spricht nicht mehr gleich davon, dass die Forderungen 'utopisch' seien, gleichzeitig werden Frauenthemen in den Rückhalt gedrängt und nicht mehr als wichtig erachtet".

Neue Herausforderungen, bei denen wir nicht auf die Vorarbeit von engagierten Frauen bauen können, sieht Ingrid Dohnal beispielsweise in der aktuellen Lage der Wirtschaft: "Frauen werden aufgrund der Krise wieder mal die schlechteren Karten haben, die Arbeitslosigkeit wird vor allem Frauen aufgrund von Teilzeitarbeit und Jugendliche betreffen. Frauen werden wieder verstärkt aus dem Arbeitsmarkt zurück an den Herd gedrängt werden. Außerdem geht der Trend eher weg von der Vollzeitarbeit. Zwei oder drei unterschiedliche Jobs mit beispielsweise zwei Kindern, das soll mir mal jemand vormachen", so die 48-Jährige.

Eine weitere neue Herausforderung für den Feminismus sieht Ingrid Dohnal im Bereich der Migration, "die damit auftauchenden Frauenbilder sind nicht die meinen und oft auch nicht die von jungen Frauen mit migrantischem Hintergrund. Auch, dass 'Ehrenmord' bei uns mittlerweile ein geflügeltes Wort ist, ist nicht gut. Da muss noch viel Integrationsarbeit geleistet werden" (beaha, dieStandard.at, 11.5.2009)