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Die astronomische Uhr am Prager Rathaus läuft seit dem Jahr 1410. Der Zeit immer einen Schritt voraus sein ist auch die Devise der EU, die auf einem Kongress für mehr paneuropäische Forschung warb.

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Die Luft im Prager Kongresszentrum schien förmlich zu brodeln. Das lag vor allem an den vielen unkonventionellen Ideen, visionären Gedankenexperimenten und vielversprechenden Theorien und Technologien, die durch die Räume schwirrten. Es passiert wohl auch nicht so oft, dass ein Grid-Computing-Experte vom Schweizer Cern mit einer britischen Anthropologin, die menschliches Verhalten auf Roboter überträgt, an einem Tisch sitzt oder sich ein französischer Astrophysiker, der kleinste Partikel im Weltall aufspürt, neben einer italienischen Sprachwissenschafterin einfindet.

Der direkte Austausch von Ideen, die Suche nach Kooperationspartnern, Geldgebern sowie möglichen Wegen durch den Dschungel an EU-Förderprogrammen waren auch die Hauptgründe für mehr als 1500 Wissenschafter, Unternehmer, Beamte und Vertreter von Forschungsinstitutionen, vergangene Woche den zweitägigen Wissenschaftskongress Research Connection in Prag, dem derzeitigen Sitz der EU-Ratspräsidentschaft, zu besuchen.

Geladen hatte die EU-Kommission anlässlich des heurigen Europäischen Jahres der Innovation und nutzte denn auch die Gelegenheit, um bei einer messeartigen Expo knapp 50 Paradebeispiele der europäischen Forschung zu präsentieren - aus einem breiten Spektrum an Bereichen von Weltraum- und Nuklearforschung über Gesundheit, Energie und Umwelt bis hin zu Kommunikationstechnologien und Verkehrswesen.

Für eine flammende Eröffnungsrede sorgte der US-Ökonom, Soziologe, Erfolgsautor und Vorsitzende der Foundation on Economic Trends Jeremy Rifkin, der außerdem als Berater der EU-Kommission tätig ist. Mit viel Charisma beschwörte er eine düstere Zukunft für die Erde herauf, sollte die "bittersüße Ironie" der aktuellen "drei Krisen" - der ökonomische Zusammenbruch, die Energiekrise und der Klimawandel - nicht genutzt werden, um "zum ersten Mal in der Geschichte wie Menschen zu denken" und am besten "über Nacht" nicht nur das Bewusstsein, sondern alle Produktions- und Konsumprozesse umzuwälzen.

Energie-Revolution

Die Lösung, oder besser die Rettung, liegt für Rifkin in der "dritten industriellen Revolution" , die das zentralisierte, mit fossilen Brennstoffen angetriebene Energiesystem durch ein dezentrales Netz von erneuerbarer Energie ersetzt. Analog zur Revolution der Informationstechnologie mit Youtube, Wikipedia und Blogosphere sollte jedes Haus ein von Wind, Sonne und Biomasse angetriebenes Kraftwerk bilden, das ein interaktives intelligentes Energie-Grid speisen kann.

Woher die "trillions and trillions of dollars" kommen sollen, die in den nächsten Jahrzehnten dafür investiert werden müssten, konnte Rifkin freilich nicht beantworten, fest stehe aber, dass innovativen Wissenschaftern große Bedeutung für die Realisierung einer radikalen Wende zukommt.

"Es gibt eine Lücke zwischen den Bedürfnissen hier und heute und den Technologien dafür, weil sie entweder noch in Entwicklung oder zu teuer sind" , räumte EU-Forschungskommissar Janez Potoènik ein. "Gerade heute, wo Geld knapper ist denn je und die großen Herausforderungen von Energie- und Klimafragen dringend Antworten erfordern, müssen Brainpower und Ressourcen zusammengezogen, langfristige Strategien entwickelt und Märkte für neue Technologien aufgebaut werden." Zentral sei dabei der Aufbau eines freien Austausches von Wissen und Wissenschaftern, von der Europa jedoch noch weit entfernt sei.

Besonderes Augenmerk gelte den zwölf neuen Mitgliedsstaaten, deren Interesse an europäischen Forschungsnetzwerken noch relativ gering sei, wie eine Bilanz des von 2007 bis 2013 laufenden 7. Rahmenprogramms der EU zeigte. Demnach kamen in den vergangenen zwei Jahren lediglich zehn Prozent der 35.000 Forscher, die sich um Fördergelder aus dem insgesamt 50 Milliarden Euro fassenden Topf bewarben, aus den zwölf neuen EU-Ländern.

Erfolgsquoten

Auch die Quote derer, die tatsächlich Geld erhielten, ist mit knapp 18 Prozent etwas niedriger als der EU-Schnitt mit rund 22 Prozent Bewilligungen. Jedoch gibt es Ausnahmen: "Die tschechische Republik zum Beispiel hat eine höhere Erfolgsrate als Österreich, Spanien, Portugal, Italien und Griechenland" , wie Potoènik hervorhob. Auffallend sei die starke Korrelation von der Höhe der nationalen Förderungen für Forschung und Entwicklung mit der Erfolgsrate der jeweiligen Bewerber. Es liege daher an den einzelnen Mitgliedsstaaten, die angestrebte Forschungsquote von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu erreichen - derzeit liegt der EU-Schnitt bei 1,84 Prozent. (Karin Krichmayr aus Prag/DER STANDARD, Printausgabe, 13. 5. 2009)