Im Nordosten Jerusalems haben vertriebene Burgenländer eine neue Heimat gefunden.

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Junge Burgenländer begleiten ihren Oberrabbiner Akiba Ehrenfeld und ihren Landeshauptmann Hans Niessl durch Mattersdorf.

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Eisenstadt - Wer das Glück hat, mit Akiba Ehrenfeld plaudern zu dürfen, wird nicht umhinkönnen, mit ihm auch quer durch die Zeitläufte zu flanieren. Das liegt nicht nur daran, dass Rabbi Ehrenfeld - seine äußere Erscheinung Lügen strafend - schon hoch in den Siebzigern ist. Sondern auch daran, dass er sich selbst als einen sieht, der eine lange Tradition fortsetzt und dessen vornehmste Aufgabe es ist, diese weiterzureichen.

Das war letztlich auch der Grund, dass er und sein Sohn Isaak Ende April nach Österreich kamen. Dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl und Bundespräsident Heinz Fischer machten sie ihre Aufwartung und nahmen auch sie mit zu einer Wanderung durch die Geschichte. So gesehen wird es Akiba Ehrenfeld wohl kaum stören, dass sein Besuch in der Hofburg auf www.hofburg.at als einer von "Samuel" Ehrenfeld vermerkt ist.

Samuel Ehrenfeld, der Vater von Akiba, ist in der Hofburg ja auch schon seit einer halben Ewigkeit aktenkundig. Immerhin wurde ihm 1931 das Goldene Verdienstkreuz der Republik Österreich verliehen. Samuel Ehrenfeld war Oberrabbiner von Mattersburg (das bis 1924 offiziell Mattersdorf hieß) und Vorsitzender der orthodoxen Kultusgemeinde. Vor allem aber war er Chef der zu Beginn des 19. Jahrhunderts gegründeten Mattersdorfer Jeschiwa, jener Thora-Hochschule, die Studenten aus ganz Europa anzog.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Die Mattersdorfer Jeschiwa steht heute in Kiryat Mattersdorf in Jerusalem und bedarf einer deutlichen Erweiterung. So nachgefragt sind dort Studienplätze. "Fünf Millionen Dollar", sagt Akiba Ehrenfeld, der seinem Vater als Oberrabbiner nachgefolgt ist, "haben wir schon verbaut. Ungefähr noch einmal so viel würden wir noch brauchen."

Jüdisches Leben

Die Attraktion der Mattersdorfer Jeschiwa versucht Isaak Ehrenfeld mit dem pädagogischen Ansatz zu erklären: "In Mattersdorf wurden nie Lehrsätze verkündet, sondern Fragen aufgeworfen. Die Studenten waren immer aufgerufen, sich an der Problemlösung zu beteiligen. Es ging immer um die Diskussion. Letztlich um die Frage: Wie ist jüdisches Leben möglich in den jeweils modernen Umständen?"

Weder Vater noch Sohn nehmen in den Mund, worum es auch geht bei ihrem Besuch in jenem Land, in dem der Vater 1932 auf die Welt gekommen und sechs Jahre später vertrieben worden ist: dass Kiryat Mattersdorf und seine Jeschiwa ein Teil Österreichs ist im Land Israel. Nicht der orthodoxen Ausrichtung wegen gibt es da Verantwortung. Sondern schlicht deshalb, weil es Teil der österreichischen Geschichte und Kultur ist.

"Wenn Sie am Sabbat durch Mattersdorf gehen", sagt Akiba Ehrenfeld, "kommen Sie sich vor wie im Burgenland." Jedenfalls wie in einem, das es früher gegeben habe, bis die Nazis es mit einem Furor ohnegleichen zerstört haben.

Gleichwohl scheint die Verbundenheit der Mattersdorfer mit Mattersburg eher zu- als abzunehmen. Akiba Ehrenfeld leugnet nicht, dass dies mit einer altersbedingten Sentimentalität jener zusammenhängt, deren Erinnerung so weit zurückreicht. Als im Dezember des Vorjahres Landeshauptmann Hans Niessl mit dem burgenländischen Verteidigungsminister Norbert Darabos das Mattersdorfer Altersheim besuchte, hätten die alten Burgenländer das für etwas ganz Besonderes gehalten. Denn immerhin sei das ja "unser Landeshauptmann". Akiba Ehrenfeld erzählt das mit nachsichtigem - quasi rabbinischem - Lächeln.

Aber kurz darauf fragt er: "Gibt es eigentlich die Bahnstation Marz-Rohrbach noch?" der Standard erwiderte mit merkwürdig klammem Gefühl: "Ja, die gibt's noch." (Wolfgang Weisgram, DER STANDARD Print-Ausgabe, 13.05.2009)