Es ist gut, dass das Gezerre ein Ende hat. Am Dienstag ist der mutmaßliche NS-Verbrecher John Demjanjuk von den USA an Deutschland ausgeliefert worden. Wenn er tatsächlich vor Gericht gestellt wird, dann erlebt Deutschland 64 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs vermutlich den letzten großen Kriegsverbrecherprozess.

Viele in der Bundesrepublik sehnen sich nach einer raschen Verurteilung Demjanjuks. Doch ob es jemals dazu kommen wird, ist äußerst fraglich. Zunächst muss geklärt werden, ob dem 89-Jährigen ein Prozess gesundheitlich überhaupt zugemutet werden kann. Und wenn einer vor Gericht steht, heißt das ja noch nicht, dass er von selbigem auch verurteilt wird. Vielleicht reichen die Beweise gar nicht aus.

Dennoch ist es für Deutschland enorm wichtig, dass überhaupt Anklage erhoben wird. Mord verjährt eben nicht, auch nicht nach mehr als 60 Jahren. Deutschland ist keine Bananenrepublik, in der hilflose Greise des Spektakels wegen vor den Kadi gezerrt werden. Wenn es medizinische Gründe gegen ein Verfahren gibt, dann werden diese berücksichtigt.

Bedeutender als eine mögliche Bestrafung ist ohnehin die Tatsache, dass Deutschland auch noch Jahrzehnte nach dem Zweiten Weltkrieg NS-Verbrechen ahndet - und nicht achselzuckend wegsieht, weil ohnehin schon so viel Zeit vergangen ist und Opfer wie Täter immer weniger werden. Dieses Bemühen um Gerechtigkeit ist ein wohltuendes Zeichen gegen eine Meinung, die leider auch in der deutschen Bevölkerung weit verbreitet ist: dass bei der Aufarbeitung der NS-Zeit endlich ein Schlussstrich gezogen werden müsse. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.5.2009)