Persönlichkeitsschutz der Opfer, ein gesteigertes Gefahrenpotenzial für die US-Streitkräfte in Kriegsgebieten oder eine neue, weltweite Welle des Antiamerikanismus - es gibt gute Gründe, jene Fotos nicht zu veröffentlichen, die Folterpraktiken der amerikanischen Behörden im Irak und in Afghanistan dokumentieren. Daneben hat Barack Obama in der Tat glaubhaft versichert, dass unter seiner Präsidentschaft die euphemistisch als "verschärft" bezeichneten Verhörmethoden nicht mehr toleriert würden.

Allein, diesmal überzeugt die Argumentation des Weißen Hauses nicht nachhaltig. Denn die Debatte um die "Schockfotos" reiht sich in eine Serie von Umfallern des neuen Präsidenten in Fragen der Bürger- und Menschenrechte ein: Er verschont jene CIA-Agenten, die Folterpraktiken angewandt haben, vor Strafe. Er will die Militärtribunale für Terrorverdächtige weiterarbeiten lassen. Und er weigert sich, in diesem unseligen Kapitel amerikanischer Geschichte volle Transparenz zuzulassen. All das widerspricht eklatant jenen Positionen, die Barack Obama noch im Wahlkampf in dieser Frage so vehement vertreten hat.

Für den früheren Rechtsprofessor geht es in dieser Frage um seine Glaubwürdigkeit, ums Prinzip, nicht um Pragmatismus. Ein guter Teil seiner Wählerschaft hat nach den verluderten Bush-Jahren - die dessen Vize Dick Cheney dieser Tage als eine Art heimlicher Oppositionsführer auf allen TV-Kanälen weiter verteidigt - deswegen für Obama gestimmt. Findet er hier keine eindeutige Position, ist sein Ruf erstmals wirklich ramponiert - in den USA wie im Ausland. (Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 15.5.2009)