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Tendenziell gegen einen Austritt aus dem Forschungszentrum Cern: Bundeskanzler Faymann will Gründe von Minister Hahn hören.

Foto: APA/Jäger

Wien - Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) hält trotz der wachsenden Kritik an seinem Plan fest, aus dem Europäischen Kernforschungszentrum CERN auszusteigen. "Der Beschluss war reiflich überlegt, ich habe keine Veranlassung an dieser Entscheidung etwas zu verändern", sagte Hahn am Samstag im ORF-Mittagsjournal. Er habe dabei auch die Rückendeckung von VP-Bundesparteiobmann Josef Pröll.

Am Montag wollen Hahn und Faymann in dieser Causa zusammentreffen. Hahn sagte aber, dass er sich dabei nicht umstimmen lassen wird. Er werde ihm vielmehr "erklären, was die Beweggründe dafür sind. Es ist einfach die Möglichkeit, mit dem Geld viel mehr Optionen zu schaffen, international und national." Die Aufregung um die CERN-Mitgliedschaft Österreichs findet der Minister "mittlerweile reichlich skurril", es handle sich hier "um eine Zwei-Prozent-Beteiligung". Dass andere Länder CERN-Mitglied werden wollen, während Österreich seinen Ausstieg anstrebe, zeigt für den Minister "die Dynamik in der Wissenschaftslandschaft".

Zur massiven Kritik von NÖ-Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) an der Entscheidung, der dadurch das in Wiener Neustadt geplante Krebsforschungszentrum "MedAustron" gefährdet sieht, verwies Hahn neuerlich auf den Vertrag zwischen der NÖ-Errichtergesellschaft für "MedAustron" und dem CERN. Gleichzeitig betonte der Minister, dass es "diese Technologie auch wo anders gibt, es gibt hier keine Abhängigkeit vom CERN". Er sei aber zuversichtlich, dass es zu einer vernünftigen Lösung kommen werde.

Die hohen Zahlungen, die Österreich laut CERN trotz Ausstiegs drohen, etwa für Pensions- und Krankenversicherung für österreichische CERN-Angestellt bzw. Kreditrückzahlungen, "wird man sich anschauen müssen, da soll CERN die Dinge auf den Tisch legen". Er wisse, dass es "großzügige Pensionsregelungen gibt, die auch aus den Mitgliedsbeiträgen bedient werden". Was Zuliefer-Firmen anbelangt geht Hahn davon aus, dass CERN der Exzellenz verpflichtet sei und "das beste Unternehmen den Zuschlag bekommt, unbeschadet der Nationalität".

Vizekanzler und Finanzministerin Josef Pröll (ÖVP) verwies am Samstag am Rande des Europa-Forums Wachau zum geplanten CERN-Ausstieg auf die Ressort-Verantwortung Hahns: "Ich glaube, dass Gio Hahn ein aus seiner Sicht notwendiges Thema angesprochen hat. Wir haben mit ihm ein Globalbudget verhandelt, er hat damit das Auslangen zu finden." Hahn habe seine Schwerpunkte selbst zu setzen, das müsse er natürlich mit den Betroffenen besprechen.

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In die Diskussion um den geplanten Austritt Österreichs aus dem Genfer Kernforschungszentrum Cern schaltet sich nun auch Bundeskanzler Werner Faymann ein. Am kommenden Montag werde es eine Unterrredung mit Wissenschaftsminister Johannes Hahn geben, heißt es aus dem Büro des Kanzlers. Faymann ist "tendenziell" gegen einen Ausstieg bei Cern und hat darüber auch Vizekanzler Josef Pröll informiert, der das einmal zur Kenntnis genommen hat. Faymann fürchtet, dass bei einem Cern-Ausstieg auch die internationale Reputation Österreichs beschädigt werden könnte. Bei dem Treffen soll die Faktenlage diskutiert werden, Faymann möchte Hahns Argumente, die für ein Ende der Mitgliedschaft sprechen, im Detail kennenlernen und noch einmal durchreden.

Deutliche Worte fand der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll im Ö1-Mittagsjournal. Der für 2011 geplante Cern-Austritt gefährde aus seiner Sicht das Tumorbehandlungszentrum MedAustron in Wiener Neustadt, das mit Know-how aus Genf entwickelt wird. Pröll sprach von einer "internationalen Blamage" und drohte: "Dann riskiert er (Hahn) einen unglaublichen Konflikt mit dem Bundesland Niederösterreich und mit mir." Österreich werde ein "forschungspolitisches Entwicklungsland" angesichts der Tatsache, dass andere Länder, zum Beispiel Rumänien, Türkei oder Serbien ins Cern hineindrängen.

Derzeit hat Cern zwanzig Mitgliedstaaten. Die Erweiterungskommission des Kernforschungszentrums wird pikanterweise von Österreich geleitet. Hahn reagierte im Chat auf derStandard.at mit Unverständnis auf die Vorwürfe Prölls. Er könne keine "Blamage" orten. Der Landeshauptmann und Parteifreund habe eine "spezielle niederösterreichische Interessenlage". Der Wissenschaftsminister verteidigte die Entscheidung: "In den letzten Jahren hat sich die europäische Forschungslandschaft in sehr vielen Disziplinen sehr breit aufgestellt. Gegenwärtig gibt es rund 40 Forschungsinfrastrukturprojekte auf europäischer Ebene, und es wäre für den Wissenschaftsstandort Österreich wichtig, wenn wir uns zumindestens an einigen dieser 40 beteiligen." Die Cern-Mitgliedschaft konsumiere rund 70 Prozent des Budgets für internationale Organisationen.

"Das würde ja bedeuten, dass wir nie austreten könnten." So kommentierte Hahn Aussagen der Cern-Führung, wonach auch nach einem Austritt Zahlungen fällig seien - für die Pensions- und die Krankenversicherung sowie für den gemeinsamen Kredit aller Mitgliedstaaten, der für den Teilchenbeschleuniger aufgenommen wurde. Das Wissenschaftsministerium sei offen für eine weitere Zusammenarbeit in adaptierter Form.

Aus der Versicherung Uniqa, die seit Anfang der Siebzigerjahre die Cern-Mitarbeiter und ihre Familien krankenversichert, verlautet, dass man vom Cern bereits erfahren habe, im Falle eines Austritts als Versicherungspartner nicht mehr infrage zu kommen, "weil derartige Aufträge nur Mitgliedstaaten erhalten". Dabei würde ein Prämienvolumen von 40 Millionen Euro jährlich verlorengehen. (Peter Illetschko, Michael Völker/DER STANDARD, Printausgabe, 16./17. 5. 2009)