Bild nicht mehr verfügbar.

Manmohan Singh und die starke Chefin der Kongresspartei hinter ihm: Sonja Gandhi.

Foto: Reuters/B Mathur

Diesen Triumph hatte niemand erwartet. Nicht einmal die Wahlsieger selbst. Als Sonja Gandhi am Wochenende im Garten ihrer Residenz 10 Janpath, im feinen, roten Sari vor die Medien tritt, umspielt ein gelöstes Lächeln ihre Lippen. Völlig unerwartet hat ihre Kongresspartei den größten Sieg seit 28 Jahren eingeholt. Aber die Parteichefin, die Macht hinter den Kulissen, schiebt zuerst Manmohan Singh vor die Kameras. Immerhin ist der 76-jährige der alte und wohl auch der neue Regierungschef von Indien - von einem Sechstel der Menschheit. Die Wahl war auch ein Vertrauensvotum für den bescheidenen Singh, für seine solide Arbeit und seine Absage an Religionshetze und Extremismus.

"Singh ist King" , jubelten die Fernsehsender. Noch in den Vortagen hatten alle Prognosen eine Wahl ohne Sieger und eine wackelige Koalition vorausgesagt, die bald zerbricht. Doch die Inder straften alle Umfragen Lügen. Das bisher regierende Mitte-links-Bündnis UPA der Kongresspartei zog mit 262 Mandaten davon. Damit fehlen nur noch wenige Sitze bis zur Mehrheit von 272. Ein Klacks, notfalls kauft die Kongresspartei ein paar Parteilose zu. Die Hindu-Partei BJP landete weit abgeschlagen dahinter (s. Wissen).

Indien atmet auf. Erstmals seit langem hat das von Massenarmut gebeutelte 1,1-Milliarden-Einwohner-Land eine starke, stabile Regierung in Aussicht, die die Kraft zu Reformen hat. Der Sieg bedeutet eine Trendwende. Über die letzten Jahre waren immer mehr Regionalparteien ins Parlament eingezogen. Das machte es immer schwieriger, das Land zu regieren. In den vergangenen Jahren musste sich Singh mit einer Minderheitenkoalition aus einem Dutzend Partnern durchwursteln, die obendrein noch auf die Kommunisten angewiesen war. Nun ist der Ökonom die Linksfront los. "Es gibt keine Ausflüchte mehr. Es ist Zeit für Reformen" , schreibt die Zeitung Mint.

Es ist auch ein Comeback der Kongresspartei als Volkspartei, deren Stern zuletzt sehr verblasst war. Nun scheint der alte Glanz der Gandhis neu aufzuleben. Vielen gilt Sonja Gandhis Sohn Rahul, der 39-jährige Kronprinz der Familiendynastie, als der wahre Star dieser Wahl. Er sei der "Architekt des Sieges" gewesen, meinten Kommentatoren. Er wolle Rahul bitten, einen Ministerposten im Kabinett zu übernehmen, sagte also auch Singh. Übersetzt könnte das meinen: Die letzten Lehrjahre eines Premiers in spe brechen an.

Die Wähler hätten für Stabilität und gegen Extremismus gestimmt, hieß es. Zudem habe die Regierung riesige Wählergruppen - Beamte, Bauern und Arme - mit Milliardengeschenken bedacht. Doch vor allem profitierte das UPA-Lager auch von der Schwäche ihrer wichtigsten Rivalen, der BJP, der Kastenpartei BSP und der Kommunisten. Die größten Verlierer sind tatsächlich die Kommunisten. Ihre Linksfront stürzte von 61 auf 24 Sitze ab.

Eine blutige Nase holte sich auch Mayawati, die schillernde "Königin der Dalits" , der Unberührbaren, die sich Chancen auf das Premiersamt ausgerechnet hatte. Ihre Partei BSP blieb selbst in ihrer Hochburg Uttar Pradesh unter den Erwartungen. (Christine Möllhoff aus Neu-Delhi/DER STANDARD, Printausgabe, 18.5.2009)