Beirut - Vor den libanesischen Parlamentswahlen, die am 7. Juni durchgeführt werden sollen, zirkulieren Berichte über Stimmenkauf in großem Maßstab, wobei der Wahlkampf der beiden konkurrierenden politischen Lager mit gewaltigen Summen jeweils aus Saudi-Arabien und dem Iran finanziert wird. Der prowestliche und antisyrische "Block der Zukunft" des Sunniten Saad Hariri, Sohn des 2005 ermordeten Ex-Regierungschefs Rafik Hariri, mit seinen Verbündeten wird von Saudi-Arabien gefördert, während der Iran die von der schiitischen Hisbollah dominierte Allianz unterstützt, der auch die "Freie Patriotische Bewegung" des Christenführers General Michel Aoun angehört.

Der mannigfache Stimmenkauf läuft über Gehälter, Schulgeld, Hilfen bei der medizinischen Versorgung oder auch Reisegeld. "Diese Praktiken hätten in westlichen Ländern unweigerlich die Annullierung des gesamten Wahlprozesses zur Folge", bemerkt der Politologe Charles Chartouni, Professor an der Libanesischen Universität in Beirut. Informationsminister Tarek Mitri spricht seinerseits von "einer alten Tradition"; er könne nicht glauben, dass sich dabei gegenüber früheren Wahlen etwas wesentlich geändert hätte.

"Zum Glück haben wir Hariri"

"Zum Glück haben wir Hariri! Einer seiner Kandidaten schickt uns regelmäßig Lebensmittel", sagt der 42-jährige Boulos Daher in Akkar im Nordlibanon. Sein 37-jähriger Cousin Marc verdankt der Hariri-Partei, dass seine Frau eine Arbeitsstelle erhalten hat. Der Unternehmer Imad, der seinen Familiennamen nicht nennen möchte, lobt wiederum die Hisbollah, die 50.000 Dollar für Infrastrukturprojekte in seinem Dorf im Süden zur Verfügung gestellt habe.

Die Europäische Union will die Wahlen mit vier Millionen Euro unterstützen. Das aus einer Kammer bestehende Parlament ist aus 64 Muslimen und 64 Christen zusammengesetzt. Insgesamt gibt es im Libanon 18 anerkannte Religionsgemeinschaften, von denen die Schiiten, die Sunniten und die christlichen Maroniten die größten sind. Nach dem institutionalisierten Religionsproporz ist der Staatspräsident maronitischer Christ, der Regierungschef sunnitischer und der Parlamentsvorsitzende schiitischer Muslim. Nach der Wahl des Konsenskandidaten General Michel Sleimane zum Staatsoberhaupt vor einem Jahr wurde in Beirut ein Allparteienkabinett unter Ministerpräsident Fouad Siniora gebildet, in dem die frühere Opposition unter Führung der Hisbollah über eine Sperrminorität verfügt. (APA/AFP)