Wien - "Wir können Betriebe im Jahr 2009 nicht mit Regularien der 1980er-Jahre führen." Georg Dieter Fischer, Präsident des Fachverbandes der Papier und Pappe verarbeitenden Industrie Österreichs, sind die Überstundenzuschläge und die, wie er sagt, "Starrheit des Kollektivvertrags", ein Dorn im Auge. Angesichts der Tiefe der Krise sei mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten notwendig, andernfalls stehe die Zukunft der Branche auf dem Spiel, sagte er in einer Pressekonferenz am Montag.

In der Branche, die im Jahresdurchschnitt rund 9500 Mitarbeiter beschäftigt, wackelten rund zwei Prozent der Arbeitsplätze; das sind knapp 200 Jobs. Von den fast 1000 Leiharbeitskräften, mit der die rund 100 Betriebe der Papier und Pappe verarbeitenden Industrie noch im guten ersten Halbjahr 2008 Auftragsspitzen abgedeckt haben, hat sich die Branche nach Angaben von Geschäftsführer Rudolf Bergolth schon im Vorjahr getrennt. Außerdem wurden Urlaube abgebaut, Schichten herausgenommen und Kapazitäten so weit als möglich der deutlich gesunkenen Nachfrage angepasst.

"Wir wollen unsere Stammbelegschaft halten, brauchen aber auch ein Entgegenkommen der Gewerkschaft", sagte Fischer, der in seinem Hauptberuf Generaldirektor Zentraleuropa des Wellpappe-Herstellers Smurfit Kappa Interwell ist. Der aus den 1980er-Jahren stammende Branchen-Kollektivvertrag ermögliche eine Verteilung der Normalarbeitszeit im Rahmen von bis zu neun Stunden am Tag und bis zu 40 Stunden in der Woche (bei Schichtarbeit bis zu 50 Wochenstunden). Diese Bandbreite sei zu eng, der Durchrechnungszeitraum von 13 Wochen zu kurz.

Fischer macht sich in Zeiten der Krise für die Einrichtung eines Arbeitszeitkontos stark, gekoppelt mit einem Durchrechnungszeitraum von zwei Jahren. "Wenn es keine Arbeit gibt, kriegt der Mitarbeiter trotzdem sein Geld - wenn die Orderbücher voll sind, kann er die Fehlzeiten abarbeiten", sagte Fischer.

Im 1. Quartal 2009 konnte die Branche laut eigenen Hochrechnungen um 7,6 Prozent weniger Verpackungen verkaufen als im Vergleichsquartal 2008. Wertmäßig habe das Minus etwa 7,3 Prozent betragen. Mit einem leichten Aufschwung sei erst in der zweiten Jahreshälfte 2010 zu rechnen.

Ein Blick unter die Oberfläche ergibt ein kontroversielles Bild: Während es im Investitionsgüterbereich, vor allem in der Autoindustrie, Einbrüche von 25 bis 30 Prozent gibt, halten sich Zigarettenverpackungen stabil; Lebensmittelverpackungen und Hygienepapiere sind nach wie vor gut gefragt, ebenso Verpackungen für Medikamente. (stro, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.5.2009)