Wien - Ein "wichtiger Impuls und wesentlicher Input für eine breite Diskussion der mittel- und langfristigen Forschungsstrategie für Österreich" ist die nun vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) präsentierte Systemevaluierung der österreichischen Forschungslandschaft für Wissenschaftsminister Johannes Hahn. Mit dem von seinem Ministerium initiierten "Forschungsdialog" gebe es nun "zwei tragfähige Säulen, auf die eine künftige Forschungsstrategie aufbauen" könne.

Österreich braucht eine verbindliche "Mega-Strategie" für Forschung, Technologie und Wissenschaft sowie eine "hochrangige Steuergruppe", quasi "einen kleiner Ministerrat" für Forschung, so das Fazit des Wifo-Chefs Karl Aiginger. Er hält eine bessere Koordinierung und Vernetzung u.a. der relevanten Ministerien für notwendig. Infrastrukturministerin Doris Bures möchte die Arbeit an einer solchen Gesamtstrategie noch vor dem Sommer aufnehmen. In der Evaluierung gebe es "eine Reihe guter Ansätze".

Analyse

Experten unter Federführung des Wifo haben in den vergangenen Monaten im Auftrag von Wirtschafts- und Infrastrukturministerium das österreichische Forschungsförderungssystem durchleuchtet. Für Aiginger braucht es statt isolierter Innovations-, Technologie- und Wissenschaftspolitik eine "konsistente umfassende Innovationspolitik". Diese müsse vor allem unter Einbeziehung anderer Politikfelder wie Ausbildung, Integration-, Migration und Wettbewerb erfolgen. Das politische Ziel lautet gemeinhin, Österreich auf einen Platz unter den besten Drei der EU-Staaten bei Innovationen zu bringen. Für eine Vorreiterrolle müsse man zu einer "Frontrunner-Strategie" wechseln, in der beides, die Grundlagen- wie auch die angewandte Forschung berücksichtigt wird, so Aiginger.

Eine gemeinsame Strategie müsse verpflichtend sein und damit von der Regierung und vom Parlament beschlossen werden. Die Verantwortung für die Strategie soll laut Empfehlungen der Studienautoren eine Steuergruppe auf Regierungsebene tragen und zwar mit rotierendem Vorsitz der vier beteiligten Ministerien für Infrastruktur, Wissenschaft, Wirtschaft und Unterricht. Einmal im Jahr solle man sich "Gäste" wie etwa den Bundeskanzler oder Vizekanzler zwecks Austauschs einladen. Das Finanzministerium solle die Durchführung überprüfen und Aufträge erteilen, so Aiginger.

Die zwei bestehenden Räte, der Wissenschaftsrat und der Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFT), sollten zu einer neuen Institution als äußeres Kontrollorgan für die Umsetzung der Gesamtstrategie zusammengeführt werden. Auch im Parlament sollte es nur einen Ausschuss für Forschung, Technologie und Wissenschaft geben.

"Ungeplante und unnötige" Komplexität

Das bestehende österreichische Innovationssystem hat laut Aiginger bisher zwar "einigermaßen befriedigend funktioniert", es zeige aber eine "ungeplante und unnötige" Komplexität. Vor dem Hintergrund der Globalisierung, der zunehmenden Internationalisierung der Forschung und demografischer Gesellschaftsentwicklungen benötige man "radikale Veränderungen". Diese seien langfristig auch billiger als kleine Anpassungen, angesichts der Wirtschaftskrise müssen diese schnell umgesetzt werden.

Als ein zentrales Problem erachtet der Wifo-Chef die bestehende Trennung von Innovation und Ausbildung. Man könne mit einem Naturwissenschafterdefizit "nicht ein führender Forschungsstandort" sein. Auch Firmen und Universitäten hätten häufig nichts miteinander zu tun. Zu den Defiziten zählen für Aiginger zudem eine "fehlende Fokussierung auf Exzellenzbereiche" sowie eine "geringe Breite, geringe Tiefe" in der Forschungsstruktur.

Reduktion auf "ein attraktives Instrument"

Die direkte Forschungsförderung sieht Aiginger als zentrales Element, um Forschungsvorhaben zu starten sowie zur Vertiefung der Forschung und zur Ausbildung von Exzellenz. Bei der steuerlichen Förderung sei die Reduktion auf "ein attraktives Instrument" wichtig. Künftig solle es nur eine Forschungsprämie in Höhe von zwölf Prozent geben. Die direkte und indirekte Förderung dürften aber keinesfalls gegeneinander ausgespielt werden.

Den Vorschlag der Vereinfachung der steuerlichen Förderung begrüßte Bures, hier gebe es "wirkliche Notwendigkeit und klare Zustimmung". Allerdings sei hier die Finanzierung noch offen. Das Finanzministerium habe für 2009 und 2010 für die steuerliche Förderung rund 400 Mio. Euro reserviert. Damit liege man aber schon unter dem, was bei einer einheitlichen Zwölf-Prozent-Prämie an Volumen notwendig wäre, so Bures. Grundsätzlich müsse man "schlagkräftiger und effizienter" werden, sich stärker am Output orientieren und Einzelstrategien zu einer großen Strategie zusammenführen, so Bures.

Hahn plädierte für eine "gemeinsame Kraftanstrengung der gesamten Bundesregierung, damit das Forschungs- und Innovationssystem fit für die die Zukunft gemacht und der Forschungsstandort gestärkt" werden könne. Es gelte dabei auch, die Bildungspolitik einzubeziehen, da Bildung und Ausbildung wesentliche Voraussetzungen für einen wettbewerbsfähigen Forschungsstandort seien.

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Erfolge und Verbesserungsmöglichkeiten

Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner sieht durch den Bericht nicht zuletzt den Erfolg der indirekten Forschungsförderung bestätigt. Bei der direkten Forschungsförderung habe die Systemevaluierung "überraschend gezeigt", dass die Nutzer den oft kolportierten "Förderdschungel" gar nicht als solchen empfänden. Nichtsdestotrotz bestünden gerade beim administrativen Aufwand zum Erhalt der Förderungen noch Verbesserungsmöglichkeiten.

Unbestritten ist für Mitterlehner die in der Systemevaluierung betonte Notwendigkeit einer langfristigen Gesamtstrategie bzw. Vision für das österreichische Forschungs-, Technologie- und Innovationssystem. Das sei auch im Regierungsprogramm so formuliert. Die Bundesregierung werde eine entsprechende Initiative starten, wobei auch die laufenden Arbeiten des Rates für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) mitberücksichtigt würden.

Weitere Reaktionen

Seitens der Industrie begrüßte Markus Beyrer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), das Papier als "wichtigen Schritt zur weiteren Verbesserung und Optimierung des Gesamtsystems". Die Förderstruktur müsse noch effizienter gestaltet werden, forderte Beyrer. Gerade in wirtschaftlich schwierigen Zeiten würden "vereinfachte Förderprocedere, langfristig planbare Rahmenbedingungen und ein effizienterer Mitteleinsatz für Unternehmen einen unschätzbaren Mehrwert" bedeuten. Im Detail begrüße die Industrie die Empfehlung zur Erhöhung der Forschungsprämie auf zwölf Prozent, das käme den Unternehmen unmittelbar zu Gute.

Die Wirtschaftskammer (WKÖ) sieht durch die Evaluierung Forderungen eigene Forderungen bestätigt, etwa nach einer Erhöhung der Forschungsprämie auf zwölf Prozent und oder eine Aufhebung der Deckelung bei der Auftragsforschung. Die Systemanalyse sei aber auch ein wichtiger Beitrag für die Diskussion einer österreichischen F&E-Strategie. Dabei sollten jene Maßnahmen Vorrang haben, welche sich rasch positiv auf die Leistung in Wirtschaft und Wissenschaft auswirkte, so Christoph Schneider von der WKÖ.

"Erfreut" über den Bericht der Systemevaluierung zeigten sich auch die Geschäftsführer der österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), Henrietta Egerth und Klaus Pseiner. Sie sehen die Strategien der FFG - vor allem das Schwerpunktprogramm COMET im Bereich der Exzellenzförderung, aber auch Angebote im Hochtechnologie- und Hochrisikobereich sowie eine breite Basis themenoffener Projektförderungen und Angebote für Innovationseinsteiger - bestätigt.

Die "Wifo-Forderung nach Totalreform der Forschungsförderung" unterstützt die Wirtschafts- und Forschungssprecherin der Grünen, Ruperta Lichtenecker. Nach Ansicht der Mandatarin muss die Struktur der Forschungsförderung "entscheidend verbessert" werden, um Österreich "in die Gruppe der innovativsten Länder Europas zu führen". Ausdrücklich begrüßte Lichtenecker den Vorschlag der Experten, "die Förderungsstruktur radikal zu vereinfachen, die finanziellen Mittel massiv zu erhöhen und die Forschungsprämie auf zwölf Prozent anzuheben". (APA)