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„Die bedauerlichen Vorfälle in Ebensee sind in keiner Weise zu tolerieren, und ich verurteile sie aufs Schärfste", sagte Innenministerin Maria Fekter.

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Was tun mit minderjährigen Neonazis: Gefängnis oder außergerichtlicher Tatausgleich mit Geschichte-Nachhilfe? Für den Eklat im ehemaligen KZ Ebensee hat sich Innenministerin Maria Fekter offiziell entschuldigt.

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Linz/Wien - Elf Tage nach der Neonazi-Störaktion bei einer Gedenkfeier zur Befreiung des KZs Ebensee hat nun das offizielle Österreich regiert. „Die bedauerlichen Vorfälle in Ebensee sind in keiner Weise zu tolerieren, und ich verurteile sie aufs Schärfste", sagte Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) im Nationalrat. Und: „Lassen Sie mich von der Regierungsbank aus auch eine offizielle Entschuldigung an die Opfer richten," sagte sie im Rahmen einer dringlichen Anfrage der Grünen im Parlament und wies den Vorwurf, zu wenig Engagement gegen Rechtsextremismus zu zeigen, zurück. Auch Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) hat erstmals öffentlich Stellung bezogen: Die Übergriffe von mutmaßlich rechtsextremen Jugendlichen seien „keine Kavaliersdelikte".

Den fünf Burschen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren drohen bei einer Verurteilung bis zu fünf Jahre Haft. Die Staatsanwaltschaft rechnet mit einer Anklage wegen Verstoßes gegen Paragraf 3g des Verbotsgesetzes.

Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen-Komitees (MKÖ), spricht sich gegen Haftstrafen aus. Einer der Hauptverdächtigen, ein 16-jähriger Lehrling , der in U-Haft sitzt, hat sich beim MKÖ für seinen Angriff auf Überlebende und deren Angehörige in Ebensee, einem Nebenlager des ehemaligen KZs Mauthausen, schriftlich entschuldigt. „Das MKÖ würde für jene mut_maßlichen Täter, die bis zu diesem Vorfall keine einschlägigen Kontakte zur organisierten Neo_nazi-Szene hatten, einen außergerichtlichen Tatausgleich und eine damit verbundene sinnvolle Ersatzleistung unterstützen", meinte Mernyi.

Grundsätzlich hält das auch Antifa-Vorsitzender Robert Eiter für sinnvoll. Allerdings warnt er davor, dass der Eindruck einer Verharmlosung entstehen könnte. Das wäre ein fatales Signal, nicht zuletzt, weil rechte Gruppierungen seit Jahren ein Entschärfen des Verbotsgesetzes fordern.

Haft als Abschreckung

Im Fall Ebensee gibt es sehr wohl Hinweise, dass sich Tatverdächtige bereits längere Zeit mit der NS-Ideologie befasst hätten. Die U-Haft, so Eiter, sei für die Jugendlichen eine Sanktion mit hohem Abschreckungspotenzial. Um Wiederholungstaten zu verhindern, sei Diversion bei Jugendlichen sicher ein richtiger Ansatz, meint Brigitte Kepplinger vom Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik der Uni Linz. Das Institut hat vor sieben Jahren eine solche Maßnahme im Auftrag der Staatsanwaltschaft Linz durchgeführt: 2001 gelang es der Exekutive, eine immer stärker werdende Neonazi-Szene in Oberösterreich zu zerschlagen. 100 Jugendliche wurden festgenommen, 65 von ihnen wegen Wiederbetätigung vor Gericht gestellt. Anstelle einer Haftstrafe mussten sie ein vierwöchiges Geschichtsseminar absolvieren. Im Grunde genommen eine Art Nachhilfeunterricht in Zeitgeschichte.

Jeder der mutmaßlichen Neonazis bekam einen Studenten zur Seite gestellt. Dieses Tandemsystem habe sich bewährt. Im Anschluss an die Geschichtsstunde bearbeitet jeder der Jugendlichen das Thema mit seinem Studenten nach. „Wichtig dabei war: An der Uni durfte alles gesagt werden ", erläutert die Historikerin. Nur so sei es möglich gewesen, die Beweggründe der Jugendlichen zu erforschen. Zudem gab es noch Supervisionsstunden, die von einem Psychologen geleitet wurden.

Kaum historisches Wissen

Die wichtigste Erkenntnis während des Seminars: Alle wussten ganz genau, was sie taten. Mit ihren Neonazi-Aktionen wollten die Jugendlichen gesellschaftspolitische Tabus brechen und provozieren. Das historische Wissen über die NS-Vergangenheit sei jedoch bei Mitläufern rudimentär.

Das Uni-Seminar wurde bisher nicht wiederholt. Heute sei es in dieser Form auch nicht mehr durchführbar. „Denn was damals noch als Tabubruch galt, ist mittlerweile in die Mitte der Gesellschaft gerückt." (Kerstin Scheller/DER STANDARD, Printausgabe, 22.5.2009)