Nicht immer fühlt sich Peter Pilz von der Polizei verfolgt, manchmal meint er, sie sogar beschützen zu müssen - besonders in Wien.

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STANDARD: Jeden Tag wird in 30 Wiener Wohnungen eingebrochen. Was fällt den Grünen dazu ein? Offizielle Aussagen gibt es wenige.

Pilz: Ganz im Gegenteil. Die Generalstatistiken sind von uns erstmals recherchiert worden. Seit ich das veröffentlich habe, gibt es die Debatte. In Wien werden derzeit rund 3,2 Prozent der Einbruchsdiebstähle aufgeklärt, in Deutschland sind es wesentlich mehr.

STANDARD: Auf das Problem haben auch andere hingewiesen - aber was ist die Lösung?

Pilz: Auch die haben die Grünen präsentiert. Aber erst habe ich der Innenministerin ein paar Fragen gestellt: Warum beträgt die Aufklärungsquote von Wien ein Drittel von Berlin und ein Fünftel von München? Sind unsere Polizisten dreimal so dumm wie in Berlin und fünfmal so dumm wie die in München? Offensichtlich nein. Hat es damit zu tun, dass Ausländerbanden über Wien herfallen? Auch nicht, weil die Ausländerbanden kommen hauptsächlich aus Moldawien und einigen Ländern außerhalb der EU. Die haben es genau so weit nach Berlin.

STANDARD: Warum also Wien?

Pilz: Weil ihnen nach acht Jahren ÖVP-Innenministern die Wiener Kriminalpolizei viel weniger entgegenzusetzen hat als die Kriminalpolizei in Berlin oder München. Eine vollkommen missglückte Polizeireform hat die an und für sich guten Strukturen der Wiener Kriminalpolizei zerschlagen. Diese war im internationalen Vergleich eine hoch spezialisierte, sehr erfahrene Kriminalpolizei. Als Ernst Strasser das Innenressort übernahm, meinte er, es gebe nicht genug Polizisten mit schwarzem Parteibuch, die all diese Spitzenfunktionen übernehmen können. Deswegen wurde rigoros zentralisiert. Das war die Voraussetzung für die Umfärbung. Jetzt haben wir einen Zentralismus in der Kriminalpolizei, den es nirgendwo sonst in dieser Form gibt.

STANDARD: Was heißt das konkret?

Pilz: Wir haben nicht mal mehr eine Kfz-Gruppe, keine bezirkserfahrenen Polizisten, die das Grätzel kennen und Tipps kriegen. Wir haben eine Zentralkriminalpolizei unter schwarzer Führung. Die erfahrenen roten Beamten sind ersetzt worden durch politisch verlässliche Zollwachebeamte. Und jetzt sitzen unerfahrene schwarze Parteibuchbeamte völlig ratlos vor komplizierten Formen der internationalen Kriminalität. Wien ist unter vier ÖVP-Ministern zur offenen Stadt für die internationale Einbruchskriminalität geworden.

STANDARD: Was müsste geschehen?

Pilz: Die Reform der Reform. Wir brauchen eine Dezentralisierung und eine Spezialisierung. Wir müssen die Kriminalpolizei und die Sicherheitswache vor zukünftigen politischen Interventionen schützen, indem wir das Besetzungswesen transparenter machen, einer parlamentarischen Kontrolle unterwerfen, zweitens, indem wir im Strafgesetzbuch ein neues Delikt einführen: Postenschiebungen sollen im Rahmen des Amtsmissbrauchs strafbar werden. Da werden Verbrechen an der öffentlichen Sicherheit begangen.

STANDARD: Das hilft nicht sofort.

Pilz: Stimmt. Ohne Investition wird es nicht gehen. Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen der Falldichte pro Kriminalbeamten im Burgenland und in Wien. Das Burgenland hat, gemessen an der Kriminalität, zu viele Kriminalbeamte, Wien hat zu wenige.

STANDARD: Landeshauptmann Niessl wird sich bedanken ...

Pilz: Er wird sich bedanken müssen, ein Teil der burgenländischen Kriminalbeamten wird nach Wien versetzt werden müssen, weil wir sie hier brauchen. Zusätzlich benötigen wir etwa 1000 zusätzliche Beamte in Wien, von denen mindestens 200 Kriminalbeamte.

STANDARD: Das ist nicht neu, das fordert auch die Wiener SPÖ.

Pilz: Wir haben es aber schon gefordert, als ich noch im Wiener Gemeinderat war. Damals hat das der Wiener Bürgermeister Häupl vehement bestritten.

STANDARD: Häupl ist also selbst schuld an steigenden Einbrüchen?

Pilz: Anhand der Strasser-E-Mails lässt sich nachvollziehen, dass es 2002/03 einen Kuhhandel zwischen Strasser und Bürgermeister Häupl gegeben hat. Es gab eine Einigung, welche Spitzenbeamte in Wien fallen gelassen werden, zum Beispiel der Generalinspektor der Sicherheitswache, Franz Schnabel, und welche behalten werden, wie der damalige Landespolizeikommandant Roland Horngacher. Dafür gibt es Beweise. Häupl hat sich arrangiert und die Wiener Polizisten im Stich gelassen.

STANDARD: Warum befassen Sie sich wieder mit der Wiener Polizei?

Pilz: Weil mich das aufregt. Jahrelang ist uns erzählt worden, wir müssen die persönlichen Rechte der Bürger einschränken, um die Kriminalität bekämpfen zu können. Was hat die ÖVP mit Duldung der SPÖ gemacht? Sie hat Elemente des Überwachungsstaates errichtet und gleichzeitig die öffentliche Sicherheit vor die Hunde gehen lassen. Wer Bürgerrechte einschränkt, kriegt dafür nicht mehr Sicherheit, sondern mehr Machtmissbrauch. Heute sitzen in Wien Kriminalbeamte, die bei jeder Handlung überlegen, ob sie damit politisch auffällig werden. Und das ruiniert eine Kriminalpolizei.

STANDARD: Sehen das die Wiener Grünen genauso wie Sie?

Pilz: Das weiß ich nicht. Ich gehe davon aus, dass die das ähnlich sehen und auch ähnlich vertreten. Aber ich kann nicht anstelle der Wiener Grünen sprechen.

STANDARD: Tun die Wiener Grünen aus Ihrer Sicht zu wenig?

Pilz: Das kann ich so nicht sagen. Aber wir müssen uns alle zwangsläufig noch mehr mit dem Thema Sicherheit befassen, weil die Probleme so groß sind. Es ist ja kein Zufall, dass ich in den Bundesvorstand gewählt worden bin. Wir haben uns das sehr genau überlegt. Sollen wir in diesen sensiblen Bereich der organisierten Massenkriminalität reingehen, wissend, dass das an und für sich das politische Revier von Rechtspopulisten ist. Unsere Antwort war nach langen Überlegungen: Wenn wir klarmachen können, dass wir kein einziges Bürgerrecht aufgeben und in unserer Integrations- und Fremdenpolitik keinen Millimeter nachgeben, dann haben wir eine Chance, sogenannten kleinen Leuten zu signalisieren, die Schreier von rechts sind nicht die einzige Adresse. Wir haben begonnen, um diese Menschen zu kämpfen. Die Grünen als Sicherheitspartei - das ist eine Änderung unserer Politik. Das ist die Voraussetzung, auch andere Mehrheiten in der Republik zu schaffen. Wir werden Wien weder Häupl noch Strache überlassen. (Petra Stuiber, DER STANDARD - Printausgabe, 22. Mai 2009)