Wien - Gut zwei Wochen vor der EU-Wahl am 7. Juni sind die Prognosen der Experten mehr als unsicher. Die Vorhersagen für diese Wahl seien insgesamt äußerst schwierig, so der Tenor der offenbar noch recht ratlosen Meinungsforscher. Aktuell sehen die Experten weiter ein Kopf-an-Kopf-Rennen von SPÖ und ÖVP, wobei beide Parteien verlieren dürften. Die FPÖ wird demnach stark zulegen. Grundsätzlich orten die Meinungsforscher eher geringes Interesse an der Wahl - auch seitens der Parteien, was sich etwa in den Wahlkampf-Ausgaben manifestiere.

Im Vorteil seien die Parteien, die ihre eigene Klientel am besten mobilisieren können, sagten die Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer (OGM) und Peter Hajek im Gespräch mit der APA. Für Hajek sind das derzeit nach wie vor diejenigen, die der EU gegenüber positiv eingestellt sind, die EU-Gegner hätten derzeit ein "Mobilisierungsproblem". Auch die Strategie der FPÖ, die etwa mit ihrem Wahlslogan "FPÖ-Veto gegen EU-Beitritt von Türkei und Israel" für heftige Aufregung gesorgt hatte, ist für Hajek ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die Freiheitlichen "mit allen möglichen Mitteln" Leute zur Wahl bringen wollten. Wem der in der Folge ausgebrochene Konflikt mit der SPÖ letztlich nützen wird, sei offen.

Bachmayer ortet bezüglich Mobilisierung in den Umfragen der vergangenen Wochen ein "seltsames Phänomen": Im Zuge der Wirtschaftskrise sei die Gruppe EU-Befürworter größer geworden. Und diese "grundsätzliche pro-europäisch eingestellte Gruppe" beabsichtige, "sich in höherem Maße an der Wahl zu beteiligen als die etwas geschrumpftere Gruppe der EU-Kritiker" - eine ungewöhnliche Situation, denn: Im Normalfall seien jene besser zu mobilisieren, "die sich ärgern", so Bachmayer. Diese Situation würde bedeuten, dass kritische Parteien wie die FPÖ diesmal eine schlechte Ausschöpfung erreichen und ein schwächeres Ergebnis einfahren könnten. Auch der heftige FPÖ-Wahlkampf der letzten Tage weise darauf hin, dass diese These richtig sein könnte, so Bachmayer.

Bei der Klarheit ihrer Botschaften haben laut Experten FPÖ und BZÖ die Nase vorne. Grüne, ÖVP und SPÖ hätten das Problem, dass sie in ihren Botschaften nicht sehr kantig und erkennbar seien. Für das BZÖ sieht Hajek den Einzug ins EU-Parlament allerdings als noch nicht fix an. Gute Chancen, ein zweites Mandat zu machen, räumt er der FPÖ ein - dies hänge aber vom Abschneiden Hans-Peter Martins ab. Von einer "heiklen prognostischen Situation" sprach Bachmayer, der Vorsprung der ÖVP auf die SPÖ scheine derzeit sehr knapp. Auch laut Harald Pitters (Gallup) ist die Entscheidung um Platz eins noch lange nicht gefallen. Prognosen seien schwer: "Die Anzahl derer, die entschieden sind, ist nochmals deutlich geringer, als es bei nationalen Wahlen der Fall ist", sagte er.

Klar feststellbar ist laut Bachmayer derzeit lediglich, dass Martin seit der Bekanntgabe seines Antretens in den Umfragen sehr deutlich zugelegt hat. Er prognostiziert dem streitbaren EU-Mandatar ein zweistelliges Ergebnis.

Einig sind sich die Forscher darin, dass die EU-Wahl auf eher geringes Interesse stößt - nicht nur beim Wähler: Es werde "viel weniger investiert" als bei Nationalratswahlen, so Pitters. In den Medien stoße der Wahlkampf auf geringeres Interesse. Werner Beutelmayer (market) konstatiert: "Die EU-Wahl ist derzeit noch nicht sehr im Bewusstsein der Wähler."

Bachmayer meint allerdings, dass die Europawahlen für die Parteien dennoch wichtig seien, denn die innenpolitischen Effekte wären doch "beträchtlich". SPÖ-Chef Werner Faymann müsse nach den "unbefriedigenden Ergebnissen in Kärnten und Salzburg" ein gutes Resultat vorlegen. ÖVP-Obmann Josef Pröll sieht der Experte weniger unter Druck, denn die ÖVP sei in der "angenehmen Situation", von Platz zwei aus zu starten.

Die Wahlbeteiligung dürfte laut Experten ziemlich stabil bleiben (2004: 42,4 Prozent). Extrem niedrig angesetzte Prognosen wie etwa jene der Eurobarometer-Umfrage, wonach nur 21 Prozent der Österreicher wahrscheinlich zur Wahl gehen wollen, hält Bachmayer für "Schwachsinn". Er vermutet einen leichten Anstieg gegenüber 2004. Denn trotz mangelndem Interesse an EU-Themen sei Europa dieses Mal viel präsenter als in den letzten Jahren. Grund dafür sei die Wirtschaftskrise, im Zuge derer "fast jeden Abend im Wohnzimmer durch Nachrichten" europapolitische Themen präsent seien. (APA)