Beirut - Die libanesische Schiitenorganisation Hisbollah hat US-Vizepräsident Joe Biden unzulässige Einmischung in die kommenden Parlamentswahlen vorgeworfen. Washington wolle offenkundig in Anbetracht der sich abzeichnenden Wahlresultate und der Gefährdung der Positionen seiner Verbündeten die "Aufsicht über den Wahlkampf" übernehmen, erklärte der Hisbollah-Politiker Hassan Fadlallah in Beirut. Biden hatte am Freitag auf einer Pressekonferenz mit Staatspräsident Michel Sleimane erklärt: "Ich habe den Libanon nicht besucht, um mich auf eine Seite zu schlagen, sondern um den Bürgern unsere Unterstützung auszudrücken".

Biden sagte allerdings auch, er appelliere an diejenigen, die bisher der Meinung gewesen seien, auf der Seite der Kräfte stehen zu müssen, "die die Friedensbemühungen behindern"; sie sollten die bevorstehenden Wahlen nützen, "um sich von solchen Leuten loszusagen", fügte er hinzu. Die Hisbollah steht seit 1997 auf der US-Liste terroristischer Organisationen. Die Schiiten sind im Libanon die zahlenmäßig stärkste Bevölkerungsgruppe. Im Parlament stellt der von der Hisbollah dominierte Schiiten-Block 35 der 128 Abgeordneten (von denen 64 Muslime sind).

Mit Raketenangriffen ihrer Miliz und Soldatenentführungen hatte die Hisbollah im Sommer 2006 eine israelische Militäroffensive provoziert. In dem 34-tägigen Krieg gelang es Israel nicht, die Schiitenorganisation zu schwächen. Nach Erkenntnissen des israelischen Militärgeheimdienstes hat die Hisbollah, die jetzt in der Allparteienregierung vertreten ist, ihre militärischen Kapazitäten seit dem Krieg "verdreifachen" können, wie Verteidigungsminister Ehud Barak vor einem Parlamentsausschuss erklärt hatte. Das libanesische Parlament hatte im Vorjahr mit großer Mehrheit das Recht der Hisbollah auf bewaffneten "Widerstand" gegen Israel bestätigt.

Es ist das erste Mal seit 1983, dass ein US-Vizepräsident in den Libanon kommt. Damals hatte George Bush sen. als Stellvertreter Ronald Reagans das Levante-Land besucht, nachdem bei Anschlägen schiitischer Extremisten 241 US-Soldaten umgekommen waren. (APA/AFP)