Wien - Die globale Finanzkrise hat die globalen Finanzzentren in New York und London besonders hart getroffen. Die Bedeutung weiterer Finanzplätze wird daher steigen. Eine internationale Bank ohne Präsenz in New York oder London? Unmöglich. An der Wall Street in New York und der "City", dem Finanzzentrum Londons, spielt die Musik, wie der ehemalige Vorstand der US-Bank Citigroup Chuck Prince einmal formulierte.
Doch die Musik verstummte auf beiden Seiten des Atlantiks im Zuge der aktuellen Finanz- und Kreditkrise. Hochkomplexe Kreditderivate, das große Geschäft für die New Yorker und Londoner Banker im Aufschwung, entpuppten sich als Zeitbomben. Im vierten Quartal 2006 wurden in London an die 240 Mrd. Euro an strukturierten Krediten verkauft, heute ist die Zahl der Neuemissionen kaum von null zu unterscheiden.
Schwellenländer rücken auf
Die Bedeutung von New York und London als globale Finanzzentren wird auch in ihren Kerngeschäften herausgefordert. 2006 war Hongkong bereits der Finanzplatz mit den meisten Börsengängen. 2008 sind 15 der 20 größten Börsendebüts aus den Schwellenländern gekommen. China und Saudi-Arabien verbuchten dabei je vier. Jeffrey Garten, Professor an der Yale School of Management, meinte vor kurzem in der Financial Times, "Shangkong" werde an Bedeutung gewinnen. Schanghai und Hongkong könnten im Zuge des kommenden Aufschwungs als direkte Konkurrenten für New York und London auftreten.
London und New York werden ihre Rolle als globale Zentren aber nicht über Nacht verlieren. Der "Global Financial Centres Index" des Thinktank "Zyen" listet die beiden Städte noch auf den ersten Plätzen. Die Studienautoren meinen zudem, dass "New York und London die einzig wirklich globalen Finanzzentren bleiben".
Drei Faktoren definieren globale Finanzzentren neu
Realwirtschaft: Die Verschiebung der Finanzzentren kommt nicht von ungefähr. Die asiatischen und lateinamerikanischen Schwellenländer generierten ein Gros des globalen Wirtschaftswachstums. Dieser Wirtschaftsmotor ist auf Kapitalmärkte angewiesen, die lokal für Unternehmen da sind und ihnen Expansion ermöglichen. Diese werden stärker wachsen und könnten eine globalere Rolle einnehmen.
Player: Die Banken aus Schwellenländern stehen in vielerlei Hinsicht sehr viel besser da als ihre Konkurrenz in den Industrienationen. Für sie besteht daher kein Bedarf, massiv ihre Bilanzen zu schrumpfen, um wieder höhere Eigenkapitalquoten zu erzielen. In der Liste der 50 größten Geldinstitute finden sich heute so wenige US- und britische Banken wieder wie nie zuvor. Stattdessen dominieren asiatische Institute das Bild.
Regulierung: London und New York haben noch eine Welle an neuen Gesetzen vor sich. In welchem Ausmaß die Obama-Administration und die jetzige Labour-Regierung unter Gordon Brown die Daumenschrauben ansetzen, ist noch unklar.(Lukas Sustala, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.5.2009)