Martin Bartenstein, langjähriger Wirtschaftsminister, erfolgreicher Pharma-Industrieller, Nebenerwerbspolitiker als ÖVP-Parlamentarier, einer der ganz wenigen Wirtschaftsliberalen unter den "christian socialists", war erstaunt: "Ich wurde ja im ORF zu meiner Überraschung von Sozialforscher Bernd Marin in einem Atemzug mit den Familien Piech-Porsche und Swarowski genannt. Mir ist nicht bewusst, wie ich zu der Ehre komme ... Einen gewissen Wohlstand haben meine Frau und ich uns erarbeitet. Aber ich bin ein typischer Mittelständler ..." Auf die deplazierte Frage "Allein mit ihrem Abgeordnetenbezug von über 8000 Euro liegen Sie weit über dem Mittelstand und Durchschnittseinkommen von 1760 Euro" antwortete er, völlig zutreffend: "Die meisten Österreicher sehen sich als Mittelstand. Das gilt auch für Abgeordnete oder Minister mit einem Bezug bis zu 200.000 Euro pro Jahr. Damit ist man längst nicht reich, sondern auch das ist Mittelstand."

Wie wahr und wie falsch zugleich! Kann keiner "reich" und "Mittelstand" unterscheiden? Sozialanalphabeten und Etikettenschwindler auf allen Seiten spielen einander in die Hände: einerseits neidbleiche Dummköpfe, die Parlamentarier wie Peter Pilz oder Spitzendruckereiarbeiter als "reich" verachten (daher wurden bis 2009 eine Viertelmillion Mittelständler ab 14x 3.572 Euro Monatsbezug mit Spitzensteuersatz für "Reiche" abkassiert). Anderseits die Bartensteins: statt selbstbewusster Freude am Erfolg schämen sie sich wohlerworbenen Reichtums und reden Euro-Multimillionärsvermögen klein.

Das ist angesichts der allgemeinen kleinhäuslerischen Neidhammelei nicht völlig unverständlich. Und doch ist es peinlich wenn einer der nach Stiftungsvermögen 100 reichsten Österreicher "typischer Mittelständler" sein will. Wer wenn nicht einer wie er, ist denn dann "reich"?

So dumm es ist, gut Verdienende, die von ihrer Erwerbsarbeit leben wie "Reiche" zu besteuern, so albern ist es, keinen Unterschied zwischen 60.000, 600.000, 6 Millionen (wie Herr Wolf von Magna) oder 60 Millionen Euro (wie Herr Wiedeking von Porsche) Jahreseinkommen zu machen - gerade in der Besteuerung. Der liberale Milliardär Haselsteiner hat völlig recht, dass "absurde" Gagen auch "absurde" Steuersätze rechtfertigen - und starke Beschränkungen der steuerlichen Absetzbarkeit.

Dass die Bartensteins im Vergleich mit Haselsteiner, den Piechs, Porsches, Swarowskis, Flicks, Hortens, Kahanes, Turnauers, Prinzhorns, Esterhazys, Mayr-Melnhof-Sauraus, Stumpfs, Dichands, Erbprinz Liechtenstein, Mateschitz, Wlaschek oder Hannes Androsch eher arme Reiche sind mag in der Hackordnung der Oligarchie wichtig sein. Doch 0,00001% der Spitzenvermögen sind nicht "Mittelstand" - sowie ein Mandataren- oder Museumsdirektorinnengehalt keinerlei "Reichtum" bedeutet. Über eine Million "Mittelständler" sind Schilling-Millionäre, ein paar dutzend Euro-Milliardäre leben auf einem anderen Sozialplaneten: Wer arbeiten muss, ist bestenfalls Mittelstand; reich ist nur, wer ohne Arbeit von den Erträgen seines Vermögens leben kann. Oder Frank Stronachs charmantes "so viel Geld kann ich gar nicht verlieren, dass ich's merk". Wer finanziell so entspannt ist, ist reich. (Bernd Marin/DER STANDARD, Printausgabe, 26.5.2009)