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Über die Jahre haben Microsoft und Intel ein dermaßen enges Verhältnis geknüpft, dass sich der vielsagende Begriff "Wintel" - als alles dominierende Symbiose aus Hardware- und Softwareentwicklung - etabliert hat. Eine Liebesbeziehung, in der sich in den letzten Jahren allerdings zunehmend Risse zeigen: Nicht nur, dass ausgerechnet der alte Microsoft-Konkurrent Apple schon seit einiger Zeit recht bevorzugte Behandlung durch Intel bekommt, engagiert sich das Unternehmen mittlerweile selbst zunehmend im Softwarebereich. Das Zauberwort lautet dabei: Linux.

Moblin

Das freie Betriebssystem bildet den Dreh- und Angelpunkt der Softwareambitionen des Prozessorherstellers, mit "Moblin" arbeitet man mit Hochdruck an einem Linux-basierten Betriebssystem für mobile Devices. Unlängst in einer ersten Beta-Version erschienen, soll Moblin 2.0 vor allem durch eine optimale Ausnutzung von Intel-Hardware glänzen. So ist ein Moblin-System auf Netbooks innerhalb von wenigen Sekunden gebootet, ein Umstand der nicht zuletzt dadurch möglich wird, da man sich in diesem Umfeld auf die Vorzüge der eigenen Atom-CPU konzentrieren kann.

Strategisch

So erklärt sich auch schnell Intels steigendes Interesse am Softwarebereich, denn auch wenn man mit einem eigenen Linux selbst kaum Geld machen wird, so kann man doch über dessen Etablierung indirekt die eigene Hardware verkaufen. Insofern sind die Ambitionen im Netbook-Umfeld derzeit auch eher ein Testfeld, "das Ziel ist definitiv der Smartphone-Markt", wie Doug Fisher, Vizepräsident in der Softwareabteilung bei Intel, gegenüber der New York Times unumwunden zugibt.

Community

Denn während Intel den PC-Markt immer deutlicher dominiert, hinkt man bei Smartphones der Konkurrenz weiter hinterher, vor allem Texas Instruments und Qualcomm haben in diesem Umfeld eine sehr starke Stellung. Da  bietet sich Linux als Hebel geradezu an, muss Intel doch bei dem freien Betriebssystem nicht von Null starten sondern kann auf die langjährigen Entwicklungen der Open Source-Community zurückgreifen.

Umstieg

Was freilich nicht heißt, dass Intel sich hier ausschließlich bedienen würde, ganz im Gegenteil hat sich Intel zu einer der zentralen treibenden Kräfte hinter Linux gemausert, wie auch Linus Torvalds bestätigt: Während Intel früher eine klare Strategie in Linux-Fragen zu fehlen schien, habe das Unternehmen mittlerweile ein recht großes Team versammelt, so der Linux-"Erfinder".  Ein Team, in dem auch so manche Linux-"Prominenz" zu finden ist, so ist etwa Kernel-Hacker Alan Cox vor einigen Monaten vom Linux-Distributor Red Hat zu Intel gewechselt.

Übernahme

Neben der Aufstockung der Ressourcen bei der Kernel- und Treiberentwicklung hat Intel aber auch die eine oder andere strategische kluge Übernahme vorgenommen, etwa den Kauf des kleinen Linux-Unternehmens OpenedHand. Dieses entwickelt das 3D-Toolkit Clutter, das nun die Basis für das neue Interface von Moblin 2.0 bildet. Dabei geht man von herkömmlichen Desktop-UI-Ansätzen zum Teil recht deutlich ab, neue Ansätze sollen die Nutzung auf mobilen Devices vereinfachen.

Spannungen

Aktivitäten, die freilich nicht unbedingt das Verhältnis zu Microsoft verbessern, will der Softwarehersteller doch selbst sein eigenes Betriebssystem Windows auf all diese Geräte bringen. Die Beziehung zu Microsoft sei heutzutage "nicht ohne Spannungen", wie Renee J. James, Leiterin der Softwareentwicklung bei Intel, eingesteht.

Partnerschaften

Ein offenes Konkurrenzverhältnis zu einem - weiterhin - äußerst wichtigen Partner will man natürlich trotzdem verhindern, insofern hält man sich mit Desktop-Ambitionen rund um Moblin / Linux zurück. Dies überlässt man dann lieber den eigenen Partnern, so will etwa Novell, das Intel bei der Moblin-Entwicklung unterstützt, die Software auch an herkömmliche PC-Hersteller ausliefern.

Offenheit

Verhindern ließe sich das ohnehin nicht, im Gegensatz zu manch anderem Hersteller gestaltet Intel seine Linux-Entwicklungen schließlich betont offen, wo etwa ATI und NVidia weiter auf proprietäre Grafiktreiber setzen, erfolgt die Intel-Entwicklung in öffentlich einsehbaren Quellcode-Verzeichnissen. Ein konsequenter Open Source-Ansatz, bei dem sich dann natürlich auch andere Anbieter nach Belieben bedienen können.

Chancen

Bei Microsoft gibt man sich bislang jedenfalls betont gelassen gegenüber den aktuellen Linux-Ambitionen von Intel, ein hübsches Interface sei wohl kaum genug, um die an Windows gewöhnten BenutzerInnen zum Umstieg zu bewegen, heißt es knapp. Bei Intel geht man die Thematik philosophisch etwas anders an: "Ich bin risikofreudig", so James. "Gibt es eine Möglichkeit etwas Neues auszuprobieren, sollten wir diese auch ergreifen". (apo)