Weil sie von einer Karriere als Showgirl träumte, schickte die 18-jährige Neapolitanerin Noemi Letizia eine Fotomappe an den Berlusconi-Sender Rete 4. Was anschließend passierte, ist in Italien seit Wochen Gegenstand wirrer Spekulationen - seit jenem 27. April, an dem der Premier unvermutet auf der Geburtstagsfeier Noemis auftauchte und ihr eine Halskette und einen Diamanten schenkte. Die Eltern des Mädchens seien alte Bekannte, beschwichtigte der Cavaliere. Er habe den Vater als Fahrer des Ex-Premiers Bettino Craxi kennengelernt, ein Umstand, der von dessen Sohn dementiert wurde.
Elio Letizia sei ein langgedienter Vertreter der Sozialisten, mit dem er über Kandidaturen für die Europawahl gesprochen habe, rechtfertigte Berlusconi seinen Besuch. Doch der Gemeindebedienstete war nie Mitglied einer Partei.
Seit einer Woche publiziert La Repubblica täglich zehn Fragen, deren Beantwortung der Premier verweigert. Am Sonntag enthüllte die Zeitung, die damals minderjährige Noemi habe ihre Weihnachtsferien in Berlusconis Villa verbracht. Der Cavaliere räumt ein, die Neapolitanerin beherbergt zu haben "als einen von vielen Gästen." Seine Beziehung zur "Blonden mit dem Engelsgesicht" sei "lupenrein". Er sei Opfer einer "Schmutzkampagne".
Sie nennt ihn "Papi"
Es sind die Ungereimtheiten in Berlusconis Schilderung, die immer neue Spekulationen anheizen. Elio Letizia versicherte am Montag in einem Interview, er habe den Premier 2001 auf einer Wahlversammlung in Neapel kennengelernt. Seither nenne seine Tochter den Cavaliere "Papi" .
Möglich. Doch warum hüllte sich der Vater des Mädchens drei Wochen in Schweigen? Noemi räumt ein, Berlusconi "mehrmals besucht" zu haben: "Wir singen miteinander" . Bei einem Galadiner saß sie am Tisch des Premiers, der sie als "Praktikantin" vorstellte.
Bei der Ankündigung ihrer Scheidung hatte Berlusconis Frau vor drei Wochen erklärt: "Ich kann nicht mit einem Mann leben, der mit Minderjährigen verkehrt." Es gebe "keine moralische Immunität" , warnt die Famiglia Cristiana.
Der Fall riecht nach Seifenoper, dürfte Berlusconis Popularität aber nicht schaden: Seine Partei erwartet bei der Europawahl ein Rekordergebnis um 40 Prozent. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 26.5.2009)