Wer provoziert, hat im Allgemeinen auch ein Ziel vor Augen. Nordkoreas zweiter Atomtest ist eine Bedrohung für den Weltfrieden, eine Kampfansage an die internationale Gemeinschaft. So wird das auch die Führung in Pjöngjang sehen. Doch Kim Jong-il und seinen Genossen ist der Weltfrieden reichlich egal. Sie wollen Nordkorea zur Atommacht machen und damit die Staatengemeinschaft zur Erfüllung alter Forderungen zwingen: mehr Geld für das Regime und das Ende aller Sanktionen. Dass diese Rechnung aufgeht, ist schon sehr unwahrscheinlich. Pjöngjang hat einen Atomtest zu viel durchgeführt.

Seit knapp einem halben Jahr, seit dem Scheitern der letzten Sechs-Parteien-Gespräche über die nukleare Abrüstung Nordkoreas, ist es steil bergab gegangen. Pjöngjang hat eine Interkontinentalrakete getestet, die Inspektoren der internationalen Atomenergiebehörde ausgewiesen, seinen Rückzug aus den multilateralen Verhandlungen erklärt, immer wieder die Grenzen zu Südkorea geschlossen und zuletzt das vielversprechende innerkoreanische Wirtschaftsprojekt, den gemeinsamen Industriepark Kaesong, abgeschnürt.

Plausibel ist, dass es der Kurswechsel unter Südkoreas Staatschef Lee Myung-bak war - weg von der Politik der Beschwichtigung und der Freundlichkeiten gegenüber dem Norden, hin zum Prinzip der Hilfe mit Bedingungen -, der die Führung in Pjöngjang besonders erzürnt und zum Abbruch der Abrüstungsverhandlungen beigetragen hatte; Südkorea ist neben China der mit weitem Abstand wichtigste Wirtschaftspartner des stalinistischen Nordens. Gegenseitigkeit, nicht einseitiger Zwang war aber auch die Basis der Sechs-Parteien-Gespräche.

Mit seinem ersten Atomtest im Oktober 2006 erreichte Nordkorea einen Sinneswandel der damaligen US-Regierung und den Beginn substanzieller Verhandlungen. Mit dem zweiten, offenbar noch größeren Test vom Mai 2009 hat sich das Land aus diesem diplomatischen Rahmen katapultiert. Die Sechs-Parteien-Gespräche sind erst einmal tot. Nach der Atomkrise Mitte der 90er-Jahre und dem nachfolgenden "Vereinbarten Rahmenabkommen" ist damit ein zweiter großer internationaler Verhandlungsversuch mit Nordkorea gescheitert.

Nordkorea-Experten wie der Deutsche Rüdiger Frank haben in den vergangenen Wochen mit einigem Recht darauf verwiesen, dass es ja der Westen und andere Teilnehmer der Sechs-Parteien-Gespräche wie China und Russland waren, die mit Kleinreden und Hinwegsehen die Nordkoreaner zu weiteren drastischen Drohgebärden ermutigt hätten. 50 Kilo waffenfähiges Plutonium in der Hand des nordkoreanischen Regimes? Die Staaten hätten nur begonnen zu spekulieren, wie harmlos das sein würde, schrieb Frank. "Die Schlussfolgerung war: Das ist nicht genug, um eine wirkliche Bedrohung darzustellen. Pjöngjang hört: Bitte reichert noch mehr an, damit wir uns wirklich fürchten können."

Doch Nordkoreas Führung hat seit der ersten Übereinkunft 2007 von den USA, China, Japan, Russland und Südkorea schrittweise entwickelte Angebote zu Energielieferungen und dem Ende von Sanktionen im Gegenzug für die Abrüstung erhalten. Sie wären nicht besser und anders ausgefallen, hätten die Staaten der Sechs-Parteien-Gespräche mehr Schrecken über Pjöngjangs Atom- und Raketentests gezeigt.

Der Punkt ist: Auch die Strafmaßnahmen der Korea-Verhandler folgten deren schwacher Rhetorik. UN-Resolution 1718 nach Pjöngjangs erstem Atomtest erwies sich so als Rohrkrepierer. Nordkoreas Handel mit China und Südkorea zum Beispiel lief ungestört weiter. Eine UN-Resolution, die Pjöngjang ernst nehmen muss, wäre eine erste Antwort auf den neuen Bombentest. (Markus Bernath/ DER STANDARD, Printausgabe, 26.5.2009)