Wien - Ein weiteres Biotech-Medikament, das in Österreich seit rund drei Jahren bei Fehlschlagen einer Beta-Interferon-Therapie bei Multipler Sklerose verwendet wird, könnte das Potenzial haben, bei mehr Patienten zu einer Verbesserung des Zustandes zu führen. Dies erklärten am Montag Experten bei einer Pressekonferenz aus Anlass des bevorstehenden Welt-MS-Tages (27. Mai) in Wien.

"Die MS beginnt im jungen Erwachsenenalter. Es ist eine nicht-tödliche Erkrankung, die man sein ganzes Leben mit sich herumträgt. In Österreich sind zwischen 8.000 und 8.500 Menschen betroffen. Zwei Drittel bis drei Viertel sind Frauen", erklärte Karl Vass, Spezialist an der Wiener Universitätsklinik für Neurologie am AKH.

Die MS besteht zumeist aus wiederkehrenden Attacken von aggressiven Immunzellen gegen die Myelin-Isolierschicht der Nervenbahnen in Gehirn und Rückenmark. Mit zunehmenden Schüben kommt es zu einer Akkumulierung bleibender Behinderungen. Ehemals gab es zur Therapie der akuten Schübe vor allem hoch dosiertes Cortison. In den vergangenen 15 Jahren konnte mit Beta-Interferon oder der Substanz Glatirameracemat bei Patienten eine Reduktion der Zahl der Schübe um rund ein Drittel erreicht werden.

Zuversicht ist angebracht

Doch seit rund drei Jahren steht im Fall des Versagens der älteren Therapien auch der monoklonale Antikörper Natalizumab ("Tysabri") als einmal monatlich erfolgende Infusion zur Verfügung. In der Zulassungsstudie zeigte sich eine 68-prozentige Reduktion der Zahl der Schübe sowie ein binnen zwei Jahren um 54 Prozent reduziertes Risikos des Fortschreitens einer bestehenden Behinderung. 37 Prozent der Patienten - nur sieben Prozent unter Placebo - blieben frei von weiterer Krankheitsaktivität.

Damit ist das der therapeutische Horizont aber noch nicht erreicht. Vass: "Bei der Tagung der amerikanischen Neurologengesellschaft wurde eine Studie mit rund 1.000 Patienten vorgestellt, die schon zu Beginn der Behandlung gewisse Behinderungen hatten. Nach zwei Jahren hatte sich bei 29 Prozent der Zustand verbessert, unter Placebo bei 19 Prozent." Vor allem Daten einer zweiten Studie mit 100 Patienten und wiederholten Kernspintomographie-Untersuchungen könnten darauf hinweisen, dass es unter Natalizumab-Behandlung bei manchen Patienten zu einer Regeneration der Nervenbahnen kommen könnte. Das sind aber noch sehr vorläufige Studienergebnisse. Die erste Untersuchung war überhaupt eine Re-Analyse als Zulassungsstudie.

Gute Versorgung

In Österreich - so der St. Pöltener Spezialist Ulf Baumhackl - ist die medizinische Versorgung der MS-Patienten gut. Das ist auch auf die vorbildliche Struktur mit Zentren und die Übernahme der Behandlungskosten durch die Krankenkassen zurückzuführen. Laut Christine Brennig vom Institut für pharmaökonomische Studien zahlt sich die intensive Behandlung der MS jedenfalls für Patienten und Gesellschaft - bei letzterem durch Einschränkung indirekter Kosten wie Krankenstände, frühzeitige Invalidität - jedenfalls mehr als sprichwörtlich aus.

Allerdings, in einem Vergleich mit acht anderen Staaten landen österreichische MS-Patienten öfter in invaliditätsbedingter Frühpension. Einerseits dürfte das durch mehr Teilzeitarbeit unter Frauen bedingt sein. Andererseits, so Christine Brennig: "Das ist auch das gute österreichische Sozialwesen." Es gibt weiters aber auch Hinweise darauf, dass die österreichische Arbeitswelt mit chronischen und potenziell invalide machenden Erkrankungen von Beschäftigten nicht sehr gut zurechtkommt. (APA)