Ja, schon wieder Ikarus. Ja, der Hangar 7 ist in Schmecks recht häufig vertreten. Aber was können wir dafür, wenn Herr Mateschitz dauernd Köche aus aller Welt einlädt, die ansonsten nicht gerade in Wochenendausflug-Reichweite liegen. Sollte das übrigens gar eine Geste der Wiedergutmachung für den Gummibärli-Geschmack sein, mit dem der Mann seit Jahren die Welt übertüncht?
Nein, keine Mutmaßungen über Mateschitz‘ Beweggründe. Und besser vielleicht auch kein Nachdenken über die Bubenträume, die diesem "Hangar" zu Grunde liegen könnten. Mondbasis Alpha 1 inklusive Kommandobrücke? Ein James-Bond-Finale in Wals-Siezenheim? Oder einfach nur kesse Mädels mit nicht minder kessen Röcken und Käppis? Sie merken, unsereins war zum ersten Mal dort zu Gast. Special occasion natürlich, und wir waren hungrig und haben darauf verzichtet, die Flugzeug gewordenen Bubenträume in der Ausstellung zu bewundern.
Grünes Apfelzeug
Stattdessen wollten wir essen, was Monsieur Thierry Marx üblicherweise im Château Cordeillan-Bages kocht. Das ist in Frankreich, und Herrn Marx‘ Kapital (tschuldigung, das musste sein) besteht aus einer "raffinierten", wie es Speiseschreiber gerne ausdrücken, Kombination verfeinerter französischer Kost mit einem Schuss Molekularküche. Oder einem Hauch oder so.
Was auch immer das heißen mag. Einen ersten Eindruck vermittelte nach vielfältiger Begrüßung durch kesse Käppiträgerinnen ein echter Gruß, aus der Küche nämlich: Grünes Apfelzeug, das man nicht mit der Bezeichnung "Mus" beleidigen wollte. In mehr oder rascher Folge machten dann unter anderem die Aufwartung: Jakobsmuscheln mit Kürbissoufflé, Gänsestopfleberparfait mit Schokolade und Passionsfrucht (gut, zierlich), Gillardeau Austern mit Muschelschaum und Kaviar (viel weniger angeberisch als ihre Ankündigung auf der Karte), Schnecke mit Knoblauchpüree und Petersilie, Sepia-Piquillo Cannelloni mit Schweinekruste. Letzteres offenbar das Vorzeigegericht von Herrn Marx, das er mit qualmendem Paprika-Eis aus der Küche schickt. Ein bisschen effekthascherisch, aber es wirkt.
Steinbutt ohne Blase
Der gedämpfte Hummer wurde in einer Blase serviert, die sie dann leider gleich wieder kaputtgemacht haben. Poelierter Steinbutt mit Algenbutter und, bitte sehr, ganz wichtig, krosser Steinbutthaut kam ohne Blase aus. "Poelieren" heißt übrigens "hellbraun dünsten", behauptet das Internet.
Beim Risotto von Sojasprossen zickte die Allergikerin. Bescheiden wie sie nun mal ist wollte sie dem stark vertretenen Servicepersonal erst gar nichts sagen, tat es dann doch, wartete auf den versprochenen Ersatz und freute sich letztendlich, dass er ausblieb. So ein Wachtelkegel mit diversen Sättigungsbeilagen hat es nämlich nicht nur geschmacklich in sich. Wie überhaupt Monsieur Marx einen Hang zu generösen Portionen an den Tag legt.
Satt zur Tarte schreiten
Beim angeräucherten (also, das klingt jetzt bisschen halbgar - gut so!) Rinderfilet beeindruckten auch die Erdäpfelsäulen, pardon, die "konfitierten Kartoffeln". Kleine Atempause mit Auberginenchips, Sternanis und Basilikumsorbet und dann das Finale: Dekonstruierte, nein, "neu konstruierte" Zitronentarte bzw. Croustillant mit Meringue im Kakaoschaum. War sehr gut, allerdings waren wir da schon sehr satt und auch etwas illuminiert dank der Weinbegleitung. Die versammelte Gutes (und üblicherweise Günstiges) aus Bordeaux, Bourgogne, Rhône, Loire und Alsace und wurde vom begeisterungsfähigen Sommelier sympathisch kredenzt.
Um keine Missverständnisse entstehen zu lassen, es handelte sich um zwei Menüs. Zwei Menüs mit, um es mit Wiglaf Droste zu sagen, viel Schaumscheiß: Höchst aromatischem Schaum, bisschen Trockeneisnebel, großartigen Zutaten und überraschenden Kombinationen, die insgesamt ein Ess-Erlebnis bereiteten, das man hierzulande dann doch sehr, sehr lange suchen muss. Johanna Maier fiel uns als denkmögliche Referenz ein. Aber was kennen wir uns schon aus.
Der Nahrungsreplikator auf der Mondbasis würde solche Sachen jedenfalls nicht zustande bringen. James Bond hätte gar keine Zeit, sich auf die vielen Gänge einzulassen - er würde wahlweise die Grußmädchen anbraten oder die Weingläser zu Scherben ballern. Schön eigentlich, wenn Bubenträume als Aromaschäume realisiert werden.