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Brennstab statt Bergkristall: Temelín-Müll bedroht Stifters Geburtsort Oberplan

APA/Hans Klaus Techt

Linz - Bisher war die kleine Stadt Oberplan (Horní Planá) im Böhmerwald in erster Linie als Geburtsort Adalbert Stifters bekannt. Dies könnte sich aber in Zukunft entschieden ändern: Wie ein jetzt bekanntgewordenes Gutachten der verantwortlichen tschechischen Behörde für die Deponierung von Atommüll (Súrao) aufzeigt, hat die Prager Regierung die unmittelbare Gegend rund um Oberplan in die engere Auswahl für ein geplantes Endlagers für Atommüll gezogen.

(Radio-)Aktiv sein am Stausee

Anders als bei den bisherigen sechs Standortüberlegungen, die alle am massiven Widerstand der Bevölkerung scheiterten, hat man jetzt ein staatseigenes Militärgebiet ins Auge gefasst. Konkret geht es um den Truppenübungsplatz Boletice nördlich von Oberplan am oberen Teil des Moldaustausees. Eine endgültige Entscheidung ist zwar noch nicht gefallen, in dem Gutachten empfiehlt die tschechische Atommüll-Behörde aber, das Gelände "eingehend geologisch zu untersuchen". Doch noch ehe der erste Bohrer ins Erdreich vordringen konnte, regt sich bereits massiver Widerstand. Und zwar sowohl auf tschechischer Seite als auch im nahen Oberösterreich.

Jiøí Hulka, Bürgermeister von Oberplan, kündigte umgehend eine grenzüberschreitende Protestbewegung an: "Wir werden mit den österreichischen und deutschen Gemeinden im Dreiländereck gemeinsam eine Initiative gegen die Prager Pläne starten." Schützenhilfe erhält er jedenfalls vonseiten der oberösterreichischen Politik. "Für den Fall, dass Tschechien tatsächlich plant, Atommüll im Dreiländereck zu lagern, wird sich Oberösterreich mit allen Mitteln zur Wehr setzen", geht Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) auf Konfrontation.

Darüber hinaus sei "unerhört, dass das offizielle Oberösterreich über derartige, offensichtlich schon so weit fortgeschrittene Pläne aus den Medien erfahren muss. Das hat mit guter Nachbarschaft im vereinten Europa des 21. Jahrhunderts nichts zu tun", ärgert sich Pühringer. Der Grund für die emsige, bereits im Jahr 1993 gestartete Suche der Prager Regierung nach einem atomaren Endlager liegt vor allem im geplanten Ausbau des südböhmischen AKWs Temelin um zwei weitere Blöcke.

Zentrale Voraussetzung im Genehmigungsverfahren ist nämlich eine entsprechende Entsorgungsmöglichkeit strahlender Abfallprodukte. Jährlich fallen in Tschechien 90 Tonnen stark radioaktiven Mülls an. Oberösterreichs grüner Umweltlandesrat Rudi Anschober sieht bereits den "Atomausbau in Tschechien als gescheitert". Die neue Diskussion über Pläne für ein Endlager sei ein "reines Ablenkungsmanöver", mit dem die tschechische Atomwirtschaft darüber hinwegtäuschen wolle, dass sie bei der Entsorgung des Atommülls "gescheitert ist". Oberösterreich werde gemeinsam mit den tschechischen Atomgegnern alle rechtlichen und politischen Handlungsmöglichkeiten gegen die Deponiepläne nutzen. (Markus Rohrhofer/DER STANDARD, Printausgabe, 27. Mai 2009)