Paris - Zum vierten Mal seit dem vergangenen März haben die französischen Gewerkschaften am Dienstag zu einem branchenübergreifenden Streiktag aufgerufen, um gegen die Sozial- und Arbeitspolitik der konservativen Regierung von Präsident Nicolas Sarkozy (UMP) zu protestieren. Am stärksten betroffen war von dem Ausstand die Staatsbahn SNCF, wo nach Angaben der Betriebsleitung etwa die Hälfte der Regionalzüge, 40 Prozent der Verbindungen in der Pariser Region und ein Viertel der Hochgeschwindigkeitszüge TGV ausgefallen sind.

In der Pariser U-Bahn war der Verkehr beinahe normal, weil nur die den Kommunisten nahe stehende CGT zum Streik aufgerufen hatte. Bei der Fluggesellschaft Air France wurden einige Flüge abgesagt und zahlreiche Verzögerungen angekündigt. Die acht größten Gewerkschaftsverbände CGT, FO, CFDT, FSU, CFTC, Solidaire, Unsa und CFE-CGC haben auch in der öffentlichen Verwaltung zu Arbeitsniederlegungen aufgerufen. Der Streikaufruf betraf insbesondere die 125.000 Finanzbeamten im Lande sowie die Lehrer und Hochschulprofessoren. Lehrer und Eltern von Schülern organisierten in Paris mehrere Protestumzüge. Die Postbeamten beteiligten sich nur punktuell am Ausstand, so etwa in Südfrankreich, allerdings wurde eine massive Beteiligung "an allen Formen von Protestkundgebungen" beschlossen. Auch mehrere Rentnerverbände haben zur Teilnahme an den Protesten aufgerufen.

Der Protesttag, der durch zahlreiche Aktionen auf lokaler Ebene im ganzen Lande gekennzeichnet war, fand im Hinblick auf ein Treffen mit dem Unternehmerverband MEDEF statt, der am Mittwoch in Paris auf dem Programm steht, um die "Sozialagenda 2009" festzulegen. Die Arbeitnehmerverbände verlangen dabei insbesondere eine Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns SMIC sowie der sozialen Minima und der Altersrenten. Überdies sollen die Unternehmen dazu verpflichtet werden, im Gegenzug für Staatsbeihilfen oder Abgabenbefreiungen "bemessbare Maßnahmen im Bereich der Beschäftigung oder der Entlohnung" zu ergreifen.

Länger Arbeitslosengeld

Die Dauer des Arbeitslosengeldes für Langzeitbeschäftigungslose soll nach den Wünschen der Gewerkschaftszentralen verlängert werden. Schließlich wollen die Arbeitnehmer auch, dass Präsident Sarkozy auf die geplanten Beamtenkürzungen in der Staatsverwaltung verzichtet (nur die Hälfte der durch Pensionierungen freigewordenen Stellen sollen nach den Absichten der Regierung nachbesetzt werden) und die Obergrenze für die Einkommensbesteuerung abschafft, die er zugunsten der Großverdiener eingeführt hatte.

Für den kommenden 13. Juni haben die Gewerkschaften bereits zu weiteren landesweiten Protestkundgebungen aufgerufen. Die "Einheitsfront der Arbeitnehmerorganisationen" ist sich einig darin, dass man die Sommerpause nicht auf der Basis einer Niederlage im Kräftemessen mit Regierung und Sozialpartner antreten könne. "Wir bereiten uns schon auf den Herbst vor, aber es ist wichtig, schon vor dem Sommer Ergebnisse zu erreichen", betonte der CFDT-Gewerkschafter Marcel Grignard. (APA)