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Dieses Foto zeigt Sant Niranjan Dass in seinem Krankenbett in Wien - Er erlitt einen Bauch-und einen Hüftknochensteckschuss - Er ist außer Lebensgefahr

EPA/BPD

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Eingang des Wiener Gebetshauses, in dem es am Sonntag zu einer Schießerei kam

Foto: Reuters/Foeger

Wien - Nur wenige Autos biegen in die Pelzgasse in Rudolfsheim-Fünfhaus ab, lediglich den ein oder anderen Parkplatzsuchenden verschlägt es hierher. Ein leerer Stellplatz findet sich vor Hausnummer 17, doch eine Polizeibeamtin erklärt freundlich, dieser müsse freigehalten werden. Hinter ihr, im Eck des Eingangstors, stehen Dienstagvormittag drei Blumenstöcke auf dem Asphalt, an einem lehnt eine Postkarte, in zwei roten Grabkerzen flackern kleine Lichter.

Hinter dieser braunen Holztür, im Gebetshaus der Ravi-Dass-Sekte, sind am Sonntag bei einer Schießerei 16 Menschen verletzt worden. Einer der zwei Prediger, die zu Besuch gekommen waren, starb wenige Stunden später. Fünf der sechs mutmaßlichen Täter befinden sich laut Polizeisprecher Michael Takacs seit Dienstag im Landesgericht Wien. Über drei ist U-Haft verhängt worden, bei zwei weiteren soll es am Mittwoch soweit sein. Dann werden auch erste Ergebnisse der Spurensicherung erwartet. Neben der Pistole wurden inzwischen auch mehrere Stichwaffen sicher gestellt. Das lege nahe, dass das Attentat geplant war. "Ich glaube aber nicht, dass es bis ins Detail durchdacht war", sagte Takacs. Die Einvernahmen der Verdächtigen gestalten sich laut Polizei schwierig, da sie in der Sprache Urdu in einem bestimmten Dialekt geführt werden müssen. Sechs Dolmetscher stünden dafür zur Verfügung, die aber die Schriftsprache dieses Dialekts nicht beherrschten. Bei Hausdurchsuchungen sichergestellte Schriftstücke waren daher bislang nicht hilfreich.

Der sechste Verdächtige, dem in den Kopf geschossen worden sein soll, ist nach wie vor nicht ansprechbar und wurde von Krems ins UKH Meidling überstellt. Über Guru Sant Niranjan Dass, der laut Polizei einen Bauch- und einen Hüftknochensteckschuss erlitt, sagte das Spital am Dienstag, er sei auf dem Weg der Besserung und nicht mehr auf der Intensivstation. Beide Krankenhäuser werden von Spezialeinheiten bewacht.

Die Polizei ersuchte die Medien, von dem verletzten Guru ein Foto zu veröffentlichen, um Gerüchten entgegenzuwirken, dass dieser auch verstorben sei. „Die indische Botschaft ist mit dieser Bitte an uns herangetreten, da es international Unruhen mit Todesopfern gibt", erklärte Takacs.

Ein leitendes Mitglied der indischen Gemeinschaft in Österreich sagte der APA, die beiden Prediger seien schon länger von orthodoxen Gläubigen bedroht worden. Es habe immer wieder geheißen, sie sollten nicht predigen und sich nicht Guru nennen.

Die Gemeinschaft der Sikhs in Österreich hat sich ausdrücklich von dem Attentat distanziert. Die Vorstände der Glaubensvereine aus dem 22. und dem 12. Bezirk fordern eine „lückenlose Aufklärung dieses feigen Anschlages". Die beiden Vereine und Vertreter der Ravi Dass beraten nun über ihr weiteres gemeinsames Vorgehen, wie ein Vertreter der Stadt am Dienstag erklärte. Es wird spekuliert, dass die Attentäter Mitglieder des Gebetshauses in Wien-Donaustadt sein könnten.

Der Anschlag und seine Folgen sind auch das Gesprächsthema in der Gegend rund um das Gebetshaus der Ravi-Dass-Sekte. Zwei Männer indischer Herkunft unterhalten sich am Gehsteig miteinander, wenige Meter vom Tempel entfernt. „Ich gehe manchmal mit meiner Familie zum Beten hin", sagt Vikram Jit und hebt das Kinn Richtung Gebetshaus. „Wir besuchen aber auch die anderen Tempel." Jit meint, das Attentat werde hier keine großen Wellen schlagen.

Die Pelzgasse verläuft von der Felberstraße, wo ein Wettbüro die Straßenecke markiert, hinauf zur Märzstraße, wo ein für Schweinsbraten werbender Fleischhauer und die Mesopotamien Kultur Union die Ecklokale belegen. Dazwischen befindet sich ein Café, das laut einem Stammgast hauptsächlich Kroaten besuchen, und ein türkisches Lokal, das mit großen Fotos für Baklava, Kebab und weiß gezuckerte Kekse wirbt. Auch der Österreichische Wachdienst und die Gemmologische Gesellschaft, ein Verein für Edelstein-Expertisen, haben hier ihren Sitz. Die meisten Häuser sind drei- bis vierstöckig, manch alter Holzfensterrahmen könnte einen frischen Anstrich vertragen, auf einem Balkon hängt ein Vorhang, von dem eine ausgebleichte Mona Lisa lächelt.

Das Gebetshaus nie bemerkt

Ernsten Blickes unterhalten sich zwei Frauen in einem Hauseingang, wenige Meter vom Tempel entfernt. Eine der zwei Frauen trägt einen Sari. Nein, sie sei am Sonntag nicht im Gebetshaus gewesen, sagt sie kopfschüttelnd und verabschiedet sich. Ihre Nachbarin gibt zu, dass sie bis zu der Bluttat nicht einmal gewusst habe, dass sich hier ein Tempel befindet. Ihr sei wichtig, dass „im Haus jeder grüßt - egal woher er ist". Zwei Bewohner des Gebäudes heißen Singh, mehrere Namen auf den Türschildern enden auf -vic. "Dass das passiert ist, hinterlässt ein unwohles Gefühl", sagt die gebürtige Niederösterreicherin. "Dabei wohne ich gerne hier. Es ist eine ruhige Gegend." (Gudrun Springer/DER STANDARD, Printausgabe, 27.5. 2009)