Graz - „Das ist alles nicht mehr lustig", sagt Antony Scholz. Er wolle damit nicht sagen, dass es früher „lustiger" gewesen sei, Angriffe verbaler Natur habe es immer wieder gegeben, aber die momentane Situation sei tatsächlich besorgniserregend. Die Zahl antisemitischer Anrufe, Beschimpfungen, anonymer Briefe und bedrohlicher Sendungen habe in den vergangenen Monaten „deutlich zugenommen", sagt der Vizepräsident der Israelitischen Kultusgemeinde für Steiermark und Kärnten. Scholz im Gespräch mit dem Standard: „Vor allem ältere Mitglieder machen sich große Sorgen wegen dieses Wiederaufkeimens des Rechtsradikalismus. Es sind all die kleinen Mosaiksteine, von der Besetzung des Parlamentspräsidiums bis zu den Vorkommnissen in Ebensee, die sie verängstigen. Gerade die, die Arges mitgemacht haben, erinnern sich an die Zeit vor 1945 - mit dem Verdacht, es könnte alles wiederkommen."
Die Botschaften, die aus der rechtsradikalen Szene an die Kultusgemeinde gschickt werden, „sind ganz arg", sagt Scholz. „Grausliche" neonazistische Elaborate etwa aus dem bayrischen Raum, aber auch Pakete, die neben die Synagoge gestellt wurden und aus denen Drähte ragten. Scholz: „So nette Zeitgenossen gibt es."
Die Kultusgemeinde habe daher schon seit längerem auf eigene Kosten eine private Security-Firma engagiert. Gottesdienste werden nun ebenso bewacht wie Kulturveranstaltungen und die Kinder, die zum Religionsunterricht kommen. Scholz: „Es ist natürlich schon nachdenkenswert: Der Grazer Dom braucht nicht beschützt werden, und uns wird geraten, es zu tun." Die Beobachtungen der Kultusgemeinde kann Alexander Gaisch schwarz auf weiß nachvollziehen. Ja, es gebe ein Ansteigen der Straftaten nach dem Verbotsgesetz, sagt der Chef des Landes_amtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung.
Die Zahl der antisemitischen Aktivitäten sei im ersten Quartal des Jahres deutlich gestiegen. Es gebe wesentlich mehr Anzeigen. Einiges an neonazistischen Umtrieben spiele sich auch auf dem Land ab, sagt Gaisch. Einem Teil der Jugendlichen, die angezeigt werden, „fehle aber oft der „historische Background". Gaisch: „Was sie aber nicht von der Schuld befreit."
Für das ideologische Unterfutter sorge der „alte Kern", der sich auf die Herausgabe von Publikationen konzentriere. (Walter Müller, DER STANDARD, Printausgabe, 27.5.2009)