In den letzten Tagen ist der Streit wieder entflammt, ob es erweiterter Aufnahmeprüfungen für die AHS bedürfe. Befürworter beklagen die Überlastung der AHS durch zu viele Schüler/innen, die dort "eigentlich" nicht hingehörten. Gegner weisen das Ansinnen ebenso entrüstet zurück, weil es ihrer Meinung nach ohnehin unsinnig sei, die Schüler/innen nach der vierten Klasse in verschiedene Schulformen zu trennen.

Selbst wenn man letztere Ansicht teilt, bleibt die Frage, wie zu verfahren ist, solange getrennte Schulformen Realität sind. In der Schulforschung ist unstrittig, dass Noten allein ein miserabler Indikator für künftige Schulerfolge sind. Zudem schafft die Fixierung auf Noten aus der Volksschule dort einen pädagogisch wenig sinnvollen Stress für alle Beteiligten - Eltern, Lehrkräfte und Schüler/innen. Tests könnten theoretisch interessante Zusatzinformationen liefern. Allerdings erhöhen auch sie nicht die Vorhersagekraft punktueller Leistungsbeschreibungen in ausreichendem Maß. Wenigstens bei einem Drittel wird es erfahrungsgemäß auch dann zu falschen Zuschreibungen kommen können.

Anders ausgedrückt: Es gibt keine wissenschaftlichen oder andere Instrumente, mit denen die künftige Schullaufbahn von Kindern verlässlich vorhergesagt werden kann. Schule ist kein naturgesetzlicher Prozess, Kinder sind keine Trivialmaschinen. Erfolg oder Misserfolg in der Schule ist sozial konstruiert und von vielen Faktoren abhängig, von denen der mehr oder weniger genau bestimmte Leistungsstand ausgangs der vierten Klasse nur einer und noch nicht einmal der bedeutsamste ist. Was wir also brauchen, ist nicht die Scheinobjektivierung der Auswahlentscheidungen mithilfe nur begrenzt tauglicher Zusatzinstrumente.

Es darf aber auch nicht bei der gegenwärtigen Situation bleiben, die den Schulnoten eine weit überzogene Bedeutung beimisst. Nötig wäre eine kontinuierliche Schullaufbahnberatung, die Schulen, Eltern und Kindern gemeinsame Entscheidungen ermöglicht, sowie eine verbesserte Durchlässigkeit im System, um eventuelle Fehlentwicklungen später korrigieren zu können.

Das Problem ist übrigens nicht so sehr, dass viele fälschlich auf die AHS geschickt werden (selbst wenn, nehmen sie dadurch kaum bleibenden Schaden), sondern eher, dass in vielen Fällen Kindern mit durchaus guten Voraussetzungen der Weg zur "höheren" Bildung oder anderen für sie geeigneten Angeboten blockiert wird, weil sie aus schulfernen Milieus stammen oder ihre Eltern sich selbst bei guten Vorleistungen nicht dorthin trauen. Im Interesse dieser Kinder sind Korrekturen am gegenwärtigen Auswahlverfahren überfällig. (Stefan Thomas Hopmann, DER STANDARD, Printausgabe, 27.5.2009)