Brüssel/Paris - Belgiens Justiz hat ihre Vorwürfe gegen zwei ehemalige Guantanamo-Häftlinge fallengelassen. Dass die belgischen Staatsbürger türkischer und marokkanischer Herkunft in Afghanistan und Pakistan gewesen seien, reiche für eine Strafverfolgung nicht aus, sagte eine Justizsprecherin am Dienstag in Brüssel zu AFP. Daher sei das Verfahren wegen Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung am 30. April eingestellt worden. Die Ermittlungen hätten die beiden "auf der ganzen Linie" entlastet.

Die Männer waren nach ihrer Festnahme in Afghanistan und Pakistan von 2001 bis 2005 in dem US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba festgehalten worden. Die USA verdächtigten sie der Zusammenarbeit mit den Taliban und dem internationalen Terrornetzwerk Al Kaida. Nach ihrer Freilassung und Rückkehr nach Belgien hatte ein Untersuchungsrichter sie der Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung angeklagt, sie aber nicht inhaftieren lassen.

Noch mehr als 200 Menschen gefangen

Bei den Männern handelt es sich um die einzigen Belgier, die in Guantanamo festgehalten wurden. Derzeit sind in dem Lager, das US-Präsident Barack Obama auflösen will, noch mehr als 200 Menschen inhaftiert. Vor wenigen Tagen erklärte sich Belgiens Außenminister Karel De Gucht bereit, die Möglichkeit einer Aufnahme einiger Ex-Häftlinge zu erwägen.

Der erste in Frankreich aufgenommene Guantanamo-Häftling erwägt indes eine Klage gegen die USA wegen seiner sieben Jahre dauernden Gefangenschaft. Diese Entscheidung werde er in Absprache mit seinen US-Anwälten treffen, sagte der aus Algerien stammende Lakhdar Boumediene der französischen Tageszeitung "Le Monde" vom Mittwoch. "Ich war nie islamistisch", betonte der 43-Jährige, der erst vor zehn Tagen aus dem berüchtigten Gefangenenlager der US-Armee auf Kuba entlassen worden war.

Frankreich hatte sich als erstes europäisches Land bereiterklärt, einen ehemaligen Häftling aus Guantanamo aufzunehmen, der weder die französische Staatsbürgerschaft besitzt noch einen Wohnsitz in Frankreich hat. Boumediene war im Herbst 2001 zusammen mit fünf anderen Algeriern als Terrorverdächtiger in Bosnien festgenommen worden, wo er nach eigenen Angaben für den Roten Halbmond gearbeitet hatte, das muslimische Gegenstück zum Roten Kreuz. Nach mehr als sieben Jahren Haft befand ein Richter des Obersten Gerichtshof der USA im November, dass er unschuldig ist.

Er habe seine Heimat im Jahr 1990 verlassen, weil die Arbeit in einer Zementfabrik seiner Gesundheit geschadet habe, sagte Boumediene. Von Algerien sei er zunächst in den Jemen gegangen, wo er sich an der Universität eingeschrieben und Kurse beim französischen Kulturinstitut belegt habe. Von dort sei er über einen zweijährigen Aufenthalt in Pakistan nach Albanien zum Roten Halbmond und schließlich nach Bosnien gelangt. Offenbar sei ihm der Aufenthalt in Pakistan zum Verhängnis geworden, sagte der gebürtige Algerier, dem die bosnische Staatsbürgerschaft nach der Festnahme aberkannt worden war.

Der ehemalige Häftling berichtete, im Februar 2003 habe ihn das US-Militär in Guantanamo 16 Tage und Nächte lang verhört, mit nur wenigen Stunden Unterbrechung. Seine "Kerkermeister" hätten Informationen "über die wohltätigen muslimischen Vereinigungen in Bosnien" von ihm gewollt. "Aber dazu wusste ich nichts." Weil er in den beiden letzten Jahren seiner Haft im Hungerstreik war, sei er zwangsernährt worden, sagte Boumediene. In der Früh um sechs Uhr kamen die Wächter demnach in seine Zelle und brachten ihn in einen Raum, wo sie ihn mit gefesselten Händen und Füßen auf einen Stuhl setzten. Über einen Schlauch durch die Nase hätten die Aufseher ihm dann Nahrung zugeführt. (APA)