Wie kein anderer Videospielheld hat der Master Chief Microsofts Spielkonsole Xbox geprägt.

Foto: Bungie
Foto: Bungie

Die anstürmenden Massen, das Blitzlichtgewitter vor Kaufhausschlangen, Jugendliche und Erwachsene, die verkleidet zum Symbol eines Welterfolgs werden: Was sonst nur von Filmen wie Star Wars bekannt ist, ereignete sich 2007 auch beim Erscheinen des Videospiels Halo 3.

2007 erschien der vorerst letzte Egoshooter der für den Softwarehersteller Microsoft wohl wichtigsten Videospiel-Serie überhaupt. Kein anderes Werk prägt die hauseigene Spielkonsole Xbox 360 heute derart, wie das Halo-Universum und dessen Galionsfigur Master Chief. Während die meisten Werke schon nach wenigen Wochen in der Flut der Masse untergehen, scheint im Xbox-Land kein Kraut gegen die Halo-Hysterie gewachsen zu sein. "Halo 3 ist (immer noch) der meistgespielte Titel auf Xbox Live", bestätigt Frank O'Connor, Halo Franchise Developement Director der Microsoft Game Studios, im Interview mit derStandard.at.

Das Ende einer Ära

2009 bedeutet für Halo das Ende einer Ära. Der Erfinder der Serie, Bungie Studios, zieht sich aus dem virtuellen Kampf gegen die Alien-Schergen "Covenant" zurück. Im Herbst erscheint noch eine Erweiterung für Halo 3, danach wollen sich die Entwickler nach fast einer Dekade und 25 Millionen verkauften Exemplaren von Halo: Combat Evolved, Halo 2 und Halo 3 anderen Projekten zuwenden.

Wie O'Connor versichert, bedeute dies aber nicht das Ende des Science-Fiction-Epos. "Halo ist ein großes Universum. Jeder, der die Romane gelesen hat, kann bestätigen, dass die Spiele lediglich an der Oberfläche des Universums kratzen. Es warten Myriaden von Geschichten darauf, erzählt zu werden", so der Entwickler, der einst bei Bungie als Content Manager begann.

Au revoir, Masterchief

So beleuchtet bereits Halo 3: ODST als Abschiedsgeschenk an die Fans nicht mehr die Heldentaten des populären Protagonisten Master Chief, sondern gibt Einblicke in eine dunklere Seite des Krieges zwischen Aliens und Menschen.

Wie das vergangenen Februar veröffentlichte Konsolen-Strategiespiel "Halo Wars" beweist, ist man sogar gewillt mit dem Millionen-Franchise spielerisch Neuland zu betreten. Ironischerweise kehrt man damit zu seinen Wurzeln zurück. "Tatsächlich wurde Halo als Echtzeitstrategiespiel geboren. Man vergisst leicht, dass Egoshooter ein sehr, sehr spezielles (Hardcore-)Genre war", blickt O'Connor zurück.

Rückblick

Das Strategiespiel Halo Wars mag in Anbetracht des Erfolges der Egoshooter zwar ein kleiner Fisch sein, dass es eines Tages überhaupt soweit kommen würde, war in den Anfängen nicht absehbar. Bungie, das in den 1990-Jahren für MacIntosh entwickelte, hatte Halo ebenfalls als Projekt für den Apple-Computer vorgesehen. Doch als Microsoft Ende der 1990er, Anfang 2000 nach einem Vorzeige-Titel für die 2001 erscheinende Xbox Ausschau hielt, trafen zwei Suchende aufeinander: Bungie sollte sein vielversprechendes Werk zunächst exklusiv für die Spielkonsole fertigen, Microsoft würde durch eine Übernahme die Finanzierung und Vermarktung sichern.

Das Gesicht einer Konsole

Diese enge Verwobenheit sorgte dafür, dass Halo und dessen Hauptcharakter zum "Gesicht" der Xbox wurden, wie Super Mario für Nintendo-Systeme. Bei nur knapp 21 Millionen verkauften Xbox-Konsolen gingen ganze 15 Millionen Stück von Halo CE und Halo 2 über den Ladentisch. Die Nachfolgeversionen für PC und Mac machten davon nur einen Bruchteil aus.

Ein Bild, das sich mit dem Nachfolger Xbox 360 nicht geändert hat. Jeder dritte Xbox 360-Besitzer nennt eine Ausgabe von Halo 3 sein Eigen - illegale Kopien ausgenommen. "Obwohl niemand von uns das Ausmaß des Erfolgs vorhersehen konnte, kam es in der Entwicklung zu einem Punkt, an dem wir wussten, dass es etwas Besonderes werden würde", schwelgt O'Connor in Erinnerung.

Community ist alles

Einen Großteil seines Erfolges hat das vom Gros der Kritiker hoch gelobte Halo der ausgefeilten Einbindung von Mehrspieler-Partien zu verdanken. Ob vor dem Fernseher gemeinsam oder über das Internet gegeneinander, die Einfachheit über Halo zum Spielen zusammenzukommen, hat den Titel auf Dauer populär gehalten.

O'Connor führt die Beliebtheit des online am meisten gespielten Xbox-Titels auf die Akribie der Schöpfer zurück. Die Berücksichtigung der kleinen Details und konstantes Testen sorgten für die hohe Qualität. Einst inspiriert von Werken wie "Goldeneye" (N64) setzte man später selbst Maßstäbe für Konsolen-Shooter.

Geschichten erzählen

Ohne grundfeste erzählerische Elemente, gäbe es dem Entwickler nach, aber auch kein unterhaltsames Gemeinschaftsspiel. So bereite die "epische Einzelspieler-Erfahrung" die Basis für die witzigen Elemente des Mehrspieler-Modus.

Dass zuletzt Halo 3 für seine etwas seichte Geschichte kritisiert wurde, sporne an. "Die Story und das Universum sind essentiell für Halo. Wir können viel besser sein und das werden wir auch", lautet das Versprechen.

Massenmarkt in Sicht

Neben Ausnahmeerscheinungen wie "Grand Theft Auto IV", war Halo 3 eines der wenigen klassischen Videospiele die zum allgemeinen Interesse wurden. Angesteckt vom Medienhype fühlten sich in den USA sogar so manche Teile der Kirche dazu bewogen, Halo zu missbrauchen, um junge Menschen in die Gotteshäuser zu locken.

In Zeiten, in denen Filmstudios bei Zuseherrückgängen auf die steigende Popularität von Videospielen verweisen, stellt man sich die Frage, wann die Halos unserer Zeit tatsächlich zum meinungsführenden Unterhaltungsmedium aufsteigen. "Spiele sind der ideale Weg, um Geschichten zu erzählen", ist O'Connor überzeugt und gibt gleichzeitig zu Bedenken, dass die Gaming-Industrie ihren "Citizen Kane" noch nicht gefunden hat.

Halo 4?

Und in der Zwischenzeit - was wird nun aus dem Halo-Universum, wenn Bungie eigene Wege geht? Für das Strategiespiel Halo Wars ist gerade erst eine Erweiterung erschienen, Halo 3-Spieler erwarten "ODST", dieses Jahr noch will Marvel Comic weitere Grafiknovellen veröffentlichen und Star-Regisseur Peter Jackson arbeitet bereits an der Verfilmung. Auch die Chancen, dass Halo 3 auf dem PC erscheint, will Microsoft nicht vom Tisch räumen, aber dann?

Die wichtigste Spielemesse E3 steht an und für Branchenbeobachter wie Brian Crecente, den Chefredakteur des Branchenblogs Kotaku, ist die Aufgabe klar: Microsoft wird nach Bungies Abgang alles daran setzen, das "Bungie-Halo" in ein "Microsoft-Halo" zu wandeln. Mit der Anheuerung Frank O'Connors wird vielleicht schon bald sogar ein ganz neues Kapitel aufgeschlagen. "Es gibt keinen Grund zu glauben, dass das Halo-Universum irgendetwas anderes macht, als zu wachsen und sich weiterzuentwickeln", schickt der neue Master Chief O'Connor voraus. (Zsolt Wilhelm, derStandard.at,  29.5.2009)