Budapest - Der Wahlkampf zu den Europawahlen am 7. Juni läuft in Ungarn auf Hochtouren. Dabei kämpfen die Parteien mit innenpolitischen Themen um die Gunst der Wähler. Nach Analysen könne der oppositionelle rechtskonservative Fidesz-MPSZ einen Erdrutschsieg einfahren und im Bund mit den oppositionellen Christdemokraten (KDNP) sogar die Zwei-Drittel-Mehrheit erreichen. Neben den Konservativen haben nur Kandidaten der regierenden Sozialisten (MSZP) reale Chancen auf den Einzug ins Europaparlament. Allerdings hat auch die rechtsradikale "Jobbik"-Partei Aussichten auf einen Platz.

Die regierenden Sozialisten wollen unter dem Slogan "Ujult Erövel" (Mit erneuerter Kraft) "die europäischen Werte nach Ungarn holen", erklärte Ex-Außenministerin Kinga Göncz, Spitzenkandidatin der MSZP. Dabei müsse die Arbeit der ungarischen EP-Abgeordneten transparenter werden. Die Bürger Ungarns müssten "erfahren und verstehen, wie sich die 22 ungarischen EP-Abgeordneten in Brüssel für ihr Land einsetzen". Laut Göncz sei der 7. Juni keine erste Runde der ungarischen Parlamentswahlen. Auf den Fidesz-MPSZ-Plakaten stehe das Wort "Eleg" (Es reicht), wobei es in Europa nicht darum ginge, aufbrausend zu politisieren. Göncz wirft Fidesz-MPSZ vor, "Innenpolitik in das Parlament der Union zu exportieren".

Mobilisierende EP-Kampagne

Laut der MSZP-Vorsitzenden Ildiko Lendvai sei es eine "große Lüge", dass die EP-Wahlen zu einem Regierungswechsel führen könnten. Die MSZP wolle keine negative, sondern eine mobilisierende EP-Kampagne, so Lendvai. Fidesz-MPSZ würde die ungarischen Bürger "nicht als Erwachsene betrachten, da die Partei behaupte, Steuern könnten gesenkt werden, ohne dafür einen Preis zu zahlen".

Laut Fidesz-MPSZ-Chef Viktor Orban sind die EP-Wahlen eine "wichtige Station" zur Beendigung der Ära der Regierungschefs Gyurcsany-Bajnai. Die letzten sieben Jahre sozialistische Regierung seien Jahre einer "falschen Politik" gewesen, da diese "den ungarischen nationalen Werten den Rücken zudrehte". Die Epoche sei durch "eine Denkweise der Milliardäre und durch Missachtung der Werte der ungarischen Bürger" gekennzeichnet gewesen. Orban verkündete in der Wahlkampagne: "Die Trümmer werden weggeräumt und all jene zur Verantwortung gezogen, die das Land zerstörten. Dann folgt der Neuaufbau."

"Volle Gleichberechtigung"

Der stellvertretende Vorsitzende der KDNP, Peter Harrach erklärte, nach einem Zwei-Dittel-Sieg des Parteienbundes Fidesz-MPSZ und KDNP könnten grundlegende Veränderungen im Lande durchgeführt werden. Doch "dieser Sieg ist nicht leicht, da unser Gegner stets in der Lage ist, sich zu erneuern, die Wähler zu täuschen, wobei die Rechte wieder gespalten ist". Heute sei dieser "Zwei-Drittel-Sieg in Gefahr. Und diese Gefahr sei Jobbik (rechtsextreme Partei, Anm.), die Wählerstimmen von den beiden rechten Parteien abziehe.

Der Chef des oppositionellen liberalen Bundes Freier Demokraten (SZDSZ), Gabor Fodor, erinnerte im Wahlkampf daran, dass Europa ohne die Liberalen heute "keine wesentlichen Entscheidungen fällen kann". Die Liberalen wollen in Ungarn die "dritte Kraft" stellen. Dabei sei es unzulässig, dass die Extremisten in Ungarn erstarken, wie das "vor einigen Jahren in Österreich der Fall war, mit Jörg Haider und dessen Partei". Der SZDSZ fordert weiter "volle Gleichberechtigung" für die neuen EU-Länder und kritisiert, dass Österreich und Deutschland noch immer nicht die Schranken gegen die ungarischen Arbeitnehmer abgebaut hätten.

Das oppositionelle konservative Demokratenforum (MDF) kritisiert unter dem Motto "Tundunk Jobbat" (Wir können es besser) im Wahlkampf die Sozialisten dafür, dass sie die "Notwendigkeit der Reformen nicht erkennen". Fidesz-MPSZ wiederum wird vorgeworfen, die Partei würde sogar "die Krise verleugnen". Wer die Krise verleugne, der wäre auch unfähig zu einem Krisenmanagement", erklärte der MDF-Spitzenkandidat und Ex-Finanzminister Lajos Bokros.

"Schneide des Schwerts"

"Im Kampf der Zigeuner bin ich nur die Schneide des Schwerts", erklärte der 21-jährige Student Zsolt Kis, Listenführer der Roma-Partei Zusammenschluss MCF. Laut Kis müsse die Minderheit der Roma und nicht die Extremen die dritte Kraft in Ungarn werden. Er selbst könnte das "lebende Dementi" jener Stereotype werden, nach der "alle Zigeuner Verbrecher, ungebildet und auf Sozialhilfe wartende Taugenichtse sind". Zum Wahlprogramm der Roma-Partei gehören die Schaffung von Arbeitsplätzen, Unterricht, ein Aktionsplan für Wohnen, Ordnung und Sicherheit.

Mit dem Slogan "Ungarn den Ungarn", und "Ungarischer Boden in ungarische Hand", macht die rechtsextremistische Jobbik-Partei Wahlkampf. Spitzenkandidatin Krisztina Morvai will verhindern, dass "wir Palästinenser werden im eigenen Land". Es müsse endlich verhindert werden, dass Multis, ausländische Konzerne in Ungarn Vorteile gegenüber ungarischen Unternehmen genießen. Jobbik sei nicht die dritte, sondern eine "neue Kraft, die vorwärtsdrängt". Die "Ungarische Garde" würde die Minderheit (Roma, Anm.) keineswegs verängstigen, behauptete die Strafrechtlerin. Weiter müsste die Tilgung von Auslandskrediten eingestellt werden, da diese angesichts der hohen Zinslasten bereits mehrfach zurückgezahlt worden seien.

Die Partei Lehet Mas a Politika LMP (Politik kann anders sein) und die Humanistenpartei (HP) wollen im Wahlbund ins Europaparlament. Sie kritisieren das "völlig chaotische wirtschaftliche Umfeld in Ungarn mit vielen individuellen Ausnahmen". LMP und HP wollen im Europaparlament jenen Weg finden, auf dem sie System reformieren können. (Von Harriett Ferenczi/APA)