Helsinki/Stockholm/Kopenhagen - Die vermutlich größte Überraschung im traditionell unspektakulären EU-Wahlkampf in Finnland war heuer die Kandidatur des Chefs der aufstrebenden, rechtspopulistischen "Wahren Finnen", Timo Soini. Der charismatische EU-Kritiker hatte eine Kandidatur in Brüssel bisher stets ausgeschlossen. Ein Justizverfahren gegen den programmierten EU-Spitzenkandidaten der "Wahren Finnen", den populären Stadtpolitiker Jussi Halla-aho, wegen mehrerer volksverhetzender Aussagen zwangen Soini jedoch zu einer Änderung seiner Pläne.

Durch Soinis Überraschungscoup erhöhte sich der Druck auf die übrigen Parteien. Wie in Finnland üblich, nominierten die Parteien auch diesmal Prominente als Stimmenmagneten. Mit dem medienerfahrenen orthodoxen Pater Mitro Repo (50) haben die Sozialdemokraten offenbar eine Trumpfkarte gezogen. Er schneidet in Umfragen auffallend gut ab und kann mit einem Sitz in Brüssel rechnen. Von seinen geistlichen Vorgesetzten erhielt Pater Mitro für die Zeit der Kandidatur und gegebenenfalls seiner Mandatsperiode in Brüssel ein Berufsausübungsverbot als Pfarrer aufgebrummt. Ursprünglich hatten die orthodoxen Bischöfe, die die politische Tätigkeit Mitros von Anfang an beargwöhnten, sogar seinen Ausschluss aus der Kirche erwogen.

Sinkende Popularitätswerte

Die oppositionellen Sozialdemokraten liegen im Umfragen mit den Konservativen (je 22 Prozent) derzeit praktisch gleichauf. Die Zentrumspartei von Ministerpräsident Matti Vanhanen droht dagegen zurückzubleiben. Sie kämpft seit Monaten mit sinkenden Popularitätswerten. Das Interesse der Finnen an der EU-Wahl ist jedoch bisher begrenzt. Nur 38 Prozent der Finnen wollen auf jeden Fall am 7. Juni ihre Stimme abgeben, wobei sich laut aktueller Umfrage jeder Zweite schwertut, einen passenden Kandidaten zu finden.

Im Nachbarland Schweden weiß laut einer aktuellen Umfrage fast jeder Zweite (45 Prozent) nichts von der EU-Wahl am ersten Juniwochenende - und das, obwohl die außerparlamentarische "Piratenpartei" seit Wochen äußerst medienpräsent ist und in Umfragen bei sechs bis acht Prozent der Stimmen hält. Damit wäre der vorwiegend von jüngeren Wählern unterstützten Partei ein Sitz im EU-Parlament sicher. Die Partei tritt für Filesharing ein und fordert mehr Informationsfreiheit. Einer der Hauptgründe für die Popularität der "Piratenpartei" ist das im April verhängte Urteil gegen vier Betreiber der Internet-Tauschbörse "The Pirate Bay" mit Haftstrafen und Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe.

Schwedens Große legen zu

Die beiden dominierenden Parteien Schwedens, die regierenden Konservativen ("Moderaterna") und die oppositionellen Sozialdemokraten könnten nach Vorhersagen von Wahlforschern gegenüber den kleineren, traditionellen Parteien diesmal zulegen. Den Sozialdemokraten werden 30 Prozent der Stimmen vorausgesagt, während die "Moderaterna" von Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt derzeit mit rund 24 Prozent rechnen können.

Die EU-skeptische "Juniliste", die bei den Europawahlen vor vier Jahren mit rund 14,5 Prozent höchst erfolgreich abschnitt, scheint die Wähler dagegen nicht mehr zu überzeugen. Ihr droht das Aus im EU-Parlament. Vor allem für die Sozialdemokraten ist die EU-Wahl ein wichtiger Stimmungsmesser für die von ihnen angestrebte Rückkehr an die Regierung in Schweden im Jahr 2010.

In Dänemark haben die Sozialdemokraten als größte Oppositionspartei gute Chancen, trotz vorausgesagter Verluste weiter stärkste Kraft vor der rechtsliberalen "Venstre" von Regierungschef Lars Lökke Rasmussen zu bleiben. Derzeit haben die Sozialdemokraten fünf, Venstre drei der bisher 14 (künftig 13) dänischen Sitze im EU-Parlament inne.

Humor in der Politik

Die Konservativen schicken mit ihrem langjährigen Vorsitzenden Bendt Bendtsen den vermutlich bekanntesten Politiker als Spitzenkandidat ins Rennen. Die Sozialdemokraten setzen auf den 33-jährigen Politologen Dan Jörgensen. Er verfasste unter anderem ein Buch mit dem bezeichnenden Titel "Politiker mit beiden Beinen auf dem Boden hängen nicht auf den Bäumen" - es handelt vom Humor in der Politik.

Die rechtspopulistische, EU-skeptische "Dänische Volkspartei" versucht mit dem 28-jährigen Morten Messerschmidt zu punkten. Messerschmidt gilt als Neonazi-Kreisen nahe stehend und wurde 2002 wegen Verstoßes gegen den dänischen Rassismus-Paragrafen verurteilt.

Dem bisher in Brüssel dominierenden dänischen Sozialdemokraten, dem Vorsitzenden der Europäischen Sozialdemokraten (SPE), Poul Nyrup Rasmussen, werden sowohl Ambitionen als auch Chancen nachgesagt, im Herbst Jose Manuel Barroso als Kommissionspräsident zu beerben. Voraussetzung dafür wäre ein gutes Ergebnis für die europäischen Sozialdemokraten insgesamt. (APA)