Clinton, Held des Kosovo: In "Ich bin ganz woanders" geht es um neue Blicke aufs Eigene

Foto: Alexander Felch

Linz - Man ist wirklich woanders, weiß aber nicht genau, wo. Auf dem Fernsehmonitor stellt ein Künstler auf Englisch mit starkem indischem Akzent seine Heimatstadt Peja im Kosovo vor und verabschiedet sich mit: "Sayonara!" Daneben wird erörtert, welchem Nachfolgestaat der ehemals "jugoslawische Hirtenhund" nun rechtens zuzuordnen ist. Und unweit davon hängt ein T-Shirt an der Wand, auf dem in kyrillischen Buchstaben das albanische Wort für "Freiheit" steht - normalerweise kann das ein Albaner nicht lesen, ein Serbe sehr wohl, aber dafür nicht verstehen: auf eine knappe Formel gebracht, das Dilemma des Kosovo.

Ich bin ganz woanders - Jam krejt dikund tjetër ist der Titel eines Kunstprojekts, das nach Peja und Wien noch in Linz Station machen wird. Es geht um den transnationalen Alltag, um geografische und mentale Grenzüberschreitungen, insbesondere zwischen dem Kosovo und Österreich. Studenten der drei Kunst-Unis in Wien und Linz trafen sich mit in Österreich lebenden Kosovaren, reisten hin, beobachteten, redeten, verarbeiteten das Erlebte. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Into the city der Wiener Festwochen waren die Ergebnisse zuletzt im Volkskundemuseum zu sehen.

Es verwundert nicht, dass das Reisen selbst zum Thema wurde. Eine 53 Minuten lange Videoarbeit von Aranka Jell verknüpft Straßenfahrten mit lakonischen Schilderungen im Off von Korruption und Erniedrigungen, wie sie die Bewohner der exjugoslawischen Region ständig erleben. Rund 1000 Fotos von einer Fahrt bis nach Wien verknappt Arthur Sommereder hingegen auf wenige Minuten Video. Rasend halluziniert der Betrachter mit, nichts bleibt hängen.

Außer vielleicht die unfertigen Ziegelbauten: Sie fielen der Grazerin Roswitha Weingrill im Kosovo als Symbole für das Unvollendete der ganzen Situation auf, mehrere akribische Zeichnungen thematisierten den Zustand, auch baulich ganz woanders als zu Hause zu sein. In den Bildern des kosovarischen Fotografen Nizar Meta (der auch das T-Shirt mitgestaltete) tauchen die Rohbauten ebenfalls auf - Zustände, die nach Veränderung rufen oder nach Abhauen: We want to break free heißt eine weitere Arbeit von Meta.

"Transnational", stellte man bei der Podiumsdiskussion in Wien fest, mag eine akademische Referenz sein, aber auch eine prosaische Forderung: dass man Standorte wechseln möchte, das Eigene von außen sehen, neue Ziele erreichen. Nicht nur als Künstler. (Michael Freund / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.5.2009)