Bei FPÖ-Veranstaltungen lehnen gerne junge Männer herum, die den rechten Arm ausgestreckt zum Gruß heben, und irgendjemand hört dann "Heil Hitler" . Ein paar dieser jungen Männer haben blaue T-Shirts an, man könnte glauben, sie gehören zum Ring Freiheitlicher Jugend. Bei einer dieser Veranstaltungen rief FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache linken Gegendemonstranten zu: "In Wahrheit seid ihr die größten Nazis." Mit den Burschen, die den rechten Arm zum Gruß erhoben hatten, gehen offizielle FPÖ-Funktionäre nach der Veranstaltung dann noch etwas trinken.

Die Jugendlichen von Ebensee, die im Stollen des ehemaligen Konzentrationslagers überlebenden Insassen auflauerten, "Sieg Heil" skandierten und die geschockten Besucher mit Paintball-Waffen beschossen, stehen unter dem Ehrenschutz der FPÖ. Schlimmstenfalls dumme Lausbuben seien das, argumentierte Strache, die gehörten vor kein Gericht gestellt. Und einer dieser "Lausbuben" sei früher einmal bei den Roten Falken gewesen, also auch so ein linker Nazi.

Und Ariel Muzicant, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde? Ein "Ziehvater des antifaschistischen Linksterrorismus" ! Der dritte Nationalratspräsident Martin Graf hält ihm vor, gewalttätige Anarchistenbanden anzuführen und die Demokratie abschaffen zu wollen. Und dieser Mann war am Mittwoch immer noch Präsident des Nationalrats und damit einer der höchsten Repräsentanten der Republik. Nie hätte Graf in dieses Amt kommen dürfen, man wusste, welches rechtsextremen Geistes Kind dieser Mann ist. Aber SPÖ und ÖVP haben ihn um des Friedens willen gewählt, jetzt tut dieser Mann alles, um den Frieden zu zerstören - weil Wahlen sind.

Die FPÖ streift immer wieder am Nationalsozialismus an, sie kokettiert mit dieser Gesinnung, mancher offener, andere versteckt. Das war bei der FPÖ immer so, das ist unter Strache vehementer geworden.

Die FPÖ spricht damit wohl auch viele Jugendliche an, die nicht unbedingt rechts oder rechtsextrem sind, die jedenfalls keine Neonazis sind, die es aber cool finden, sich gegen die Gesellschaft und das Establishment aufzulehnen. Und ein "Heil Hitler" taugt immer noch ursuper zur Provokation, allzu viele Möglichkeiten zum Tabubruch gibt es ohnedies nicht mehr.

Damals wie heute, unter Haider wie Strache, tun sich ÖVP wie SPÖ unglaublich schwer mit diesen Ausflüssen - weil die FPÖ durch ihre Wahlerfolge demokratisch legitimiert ist und weil es politisch hilfreich sein kann, mit ihr Geschäfte zu machen (Studiengebühren im Wahlkampf abschaffen).

Im Prinzip galt und gilt: Wegschauen, ignorieren, auf Besserung hoffen. Die FPÖ ist aber keine normale Partei. Strache würde - symbolisch gesprochen - das Haus seines Nachbarn anzünden, wenn er einen politischen Vorteil daraus ziehen kann. Die FPÖ ist eine zutiefst destruktive Kraft, die hetzt, mit Neid arbeitet, die Vorurteile benützt und verstärkt, die Feindbilder propagiert, die Andersdenkende verfolgt, die Menschen fertigmacht.

Wiens Bürgermeister Michael Häupl hat erkannt: Vor Strache zu kuschen bringt es nicht, hier ist die Auseinandersetzung zu suchen. Auch Kanzler Werner Faymann scheint das jetzt eingesehen zu haben. Die ÖVP ist offenbar unschlüssig und misst noch am Verfassungsbogen. Die Anhänger der FPÖ pauschal als Nazis auszugrenzen, wäre aber falsch. Diesen Leuten, die die FPÖ aus Frust wählen, muss ein Angebot gemacht werden. Da steckt viel Arbeit drinnen, das geht nicht auf die Schnelle. Und weil bei der EU-Wahl wieder alle ihr blaues Wunder erleben werden: Ein Hannes Swoboda ist ein solches Angebot mit Sicherheit nicht. Ernst Strasser übrigens auch nicht. (Michael Völker, DER STANDARD, Printausgabe, 28.5.2009)