Der Rechtsausschuss im Deutschen Bundestag hat am Mittwoch mit den Stimmen der Großen Koalition das Thema weibliche Genitalverstümmelung (FGM) von der Tagesordnung genommen. Begründet wurde dieses Vorgehen damit, dass die Große Koalition einen eigenen Vorschlag einbringen werde.

Damit ist der Mitte Mai ins Parlament eingebrachte Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafbarkeit von FGM abgeschmettert. Unterstützt wurde der Antrag von 91 ParlamentarierInnen aus FDP, Bündnis 90/Die Grünen, SPD und CDU/CSU. Er sah vor, dass weibliche Genitalverstümmelung generell als schwere Körperverletzung geahndet wird.

Schwere Körperverletzung bislang nur im Ausnahmefall

Bisher fällt diese schwere Menschenrechtsverletzung an Mädchen und Frauen in Deutschland unter den Straftatbestand der einfachen bzw. gefährlichen Körperverletzung, weiß die Frauenrechtsorganisation Terres des Femmes mit Sitz in Tübingen. Nur in Ausnahmefällen, z.B. wenn die betroffene Frau nachweislich aufgrund der erlittenen Verstümmelung ihre Fortpflanzungsfähigkeit verliert, könnte Genitalverstümmelung als schwere Körperverletzung geahndet werden.

Brutale Einschnitte

Die betroffenen Mädchen und Frauen aus mehrheitlich afrikanischen Herkunftsländern leiden lebenslang unter den Konsequenzen der Praxis, bei der neben der Klitoris meist auch Teile der Schamlippen abgeschnitten werden. In 15 Prozent der Fälle wird die Vagina bis auf eine winzige Öffnung zugenäht. Die Folgen für die Überlebenden sind immens: Schmerzen und Komplikationen beim Wasserlassen, bei Menstruation, Geschlechtsverkehr und Entbindungen.

Start der Verjährungsfrist erst bei Volljährigkeit

Des Weiteren sah der Gesetzentwurf, der von Sibylle Laurischk, Irmingard Schewe-Gerigk und Konrad Schily als Gruppenantrag eingebracht worden war, vor, dass die Verjährungsfrist für Genitalverstümmelungen erst einsetzt, wenn die betroffenen Mädchen das 18. Lebensjahr erreicht haben. Damit haben sie wie Opfer von sexuellem Missbrauch die Möglichkeit, als Erwachsene Anzeige gegen die TäterInnen zu erstatten. Da die Mädchen oft in ihren ersten Lebensjahren verstümmelt werden, besteht bei der bisherigen Rechtslage die Gefahr, dass die Tat verjährt, bevor die Betroffenen volljährig sind.

Aufnahme in Katalog der Auslandstaten

Außerdem sollte nach dem vorliegenden Gesetzentwurf Genitalverstümmelung in den Katalog der Auslandstaten aufgenommen werden. Dies ist laut Terres des Femmes Voraussetzung dafür, dass Genitalverstümmelungen, die außerhalb von Deutschland durchgeführt werden, von deutschen Behörden strafrechtlich verfolgt werden können, wenn es sich um ein in Deutschland lebendes Mädchen handelt. Es gebe Hinweise, dass Mädchen insbesondere während Ferienaufenthalten im Heimatland der Eltern verstümmelt würden.

"Ignorieren des lebenslangen Leidens"

Der Antrag, den die Große Koalition plant, werde lediglich das Ruhen der Verjährungsfrist vorsehen, heißt es aus Kreisen des Bundestags. Nicht geplant ist die Aufnahme der Genitalverstümmelung als eigener Tatbestand im Strafgesetzbuch. "Damit ignoriert die Große Koalition nicht nur das fraktionsübergreifende Anliegen von 91 Abgeordneten, sondern vor allem das Recht der betroffenen Frauen auf angemessene Strafverfolgung derjenigen, die ihnen lebenslanges Leiden zugefügt haben", so Christa Stolle, Bundesgeschäftsführerin von Terres des Femmes. "Deutschland muss seiner Schutzverpflichtung nachkommen und mit der Aufnahme in den Katalog der Auslandstaten verhindern, dass Mädchen in den Ferien Opfer von Verstümmelungen werden."

Prävention erforderlich

Ein generelles Ausreiseverbot für Mädchen aus Verbreitungsländern der Genitalverstümmelung stuft die Frauenrechtsorganisation als verfassungswidrig ein. Stattdessen befürwortet die Organisation die Aufnahme in den Katalog der Auslandstaten. Eltern sollte vor der Ausreise deutlich gemacht werden, dass eine Verstümmelung ihrer Tochter im Ausland geahndet werden kann, so Stolle. Neben Änderungen im Strafrecht fordert Terres des Femmes von der Bundesregierung umfassende Präventionsmaßnahmen für gefährdete Mädchen und eine flächendeckende Schulung von ÄztInnen, Hebammen, ErzieherInnen, LehrerInnen, Polizei und Justiz. (red)