Kaffeehausphilosophen: Lone Man (Isaach De Bankolé) und eine cinephile Kontaktfrau (Tilda Swinton) in "The Limits of Control"

 

Foto: Tobis

Wien - Der Auftrag ist mehr als undurchsichtig. Handelt es sich überhaupt um eine Mission? Man kann da anfangs keineswegs sicher sein. Lone Man (Isaach De Bankolé), der einsame Held aus Jim Jarmuschs neuem Film The Limits of Control, ist eine leere Fläche, auf die sich allerlei projizieren lässt. Als man ihm das erste Mal begegnet, praktiziert er Tai-Chi in einer Flughafentoilette, und wie ein Zen-Schüler, der nach innerer Leere strebt, wird er später durch Spanien reisen: schweigsam, konzentriert, vollkommen gelassen - aber makellos elegant gekleidet.

Nun finden sich im Werk des US-Independent-Regisseurs eine ganze Reihe von ähnlich gearteten Protagonisten - man denke nur an den ängstlichen William Blake aus Dead Man oder den stolzen Samurai aus Ghost Dog -, doch keiner wurde bisher auf seine reine Funktion als Handlungsträger reduziert. Eigenbrötlerische Gewohnheiten, Ticks und Apathien sind alles, was wir über Lone Man wissen: In Cafés bestellt er grundsätzlich zwei Espressi in getrennten Tassen; Verführungen ist er abhold, selbst wenn sich nackte Frauen vor ihm räkeln, und wenn jemand in seiner Gegenwart zu einem Handy greift, weist er bestimmt darauf hin, dies zu unterlassen.

Mit seinem letzten Film hatte Jarmusch nicht nur seinen bisher größten kommerziellen Erfolg verbucht, Broken Flowers war auch sein bislang geradlinigster: ein verschmitztes Solo für den wunderbaren Bill Murray. The Limits of Control - der Titel bezieht sich auf einen Text William S. Burroughs über Sprache als Kontrollmedium - bedeutet dahingehend wieder einen mutigen Schritt in die Abstraktion. Denn rätselhaft wie der Held bleibt der zum Großteil improvisierte Handlungsverlauf des Films, eine Wiederholung minimaler Abläufe und Begegnungen, die nur noch auf die äußersten Grundzüge eines Gangstergenres à la Jean-Pierre Melville verweisen.

Der Lone Man wird auf seinem Trip durch Spanien eine Reihe merkwürdiger Zusammentreffen absolvieren, die alle mit einer Frage ("You don't speak Spanish, right?") beginnen und nach einem kurzen Austausch über individuelle Interessen - Musik, Film, Molekulareigenschaften - damit enden, dass eine Streichholzschachtel mit einem kryptischen Code überreicht wird. Die illustren Kontaktpersonen werden von Gaststars verkörpert, von denen Tilda Swinton als mysteriöse Blondine in Erinnerung bleibt, mit einem Faible für jene Momente in alten Filmen, in denen geschwiegen wird.

Zweckfreie Kunst

Doch es sind nicht diese szenischen Miniaturen, die den Reiz von The Limits of Control ausmachen, sie wirken in ihrer geringen Variationsbreite eher monoton und engen den Film mit ihren Idiosynkrasien ein. Bemerkenswert bleibt vielmehr, mit welcher Lust an reinen Wahrnehmungsbildern Jarmusch filmt, die im Dialog mit der Musik von Boris und Sunn0))) zweckfreie, aber sinnliche Bild- und Tontexturen bilden.

Kameramann Christopher Doyle, neu in Jarmuschs Team, weidet sich an Architekturen wie dem futuristischen Torres-Blancas-Gebäude in Madrid, blendet Gemälde in Stadtansichten über oder sieht durch ein Zugfenster dabei zu, wie die Landschaften von La Mancha vorüberziehen. Und in einem Haus, das wie ein Tresor aussieht, kommt es dann tatsächlich auch noch zu einem Mord. (Dominik Kamalzadeh / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.5.2009)