Warschau - Der polnische Europaabgeordnete Marcin Libicki erhebt schwere Vorwürfe gegen den Vorsitzenden seiner ehemaligen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski. "Er achtet niemanden außerhalb seiner Familie", sagte Libicki der Zeitung "Dziennik". Der Europaabgeordnete hatte die PiS im April verlassen, nachdem sie ihn nicht mehr in ihre Liste für die Europawahl aufnehmen wollte.

Libicki stellte die PiS in dem Interview als Partei dar, in der nur Jaroslaw Kaczynski Entscheidungen trifft - und dies in der Regel auf der Grundlage von oberflächlichen Informationen. "In der PiS gibt es keinen geordneten Nachrichtenfluss, keinen Stab, der dem Vorsitzenden bestimmte Sachverhalte erklärt", sagte Libicki. Deshalb stünden PiS-Politiker Schlange vor dem Büro von Jaroslaw Kaczynski, um Einfluss auf ihn zu nehmen. Der Vorsitzende betrachte die PiS indes als seine "private Partei", so der Europaabgeordnete. "Er verachtet Menschen", sagte Libicki.

Der autoritäre Führungsstil von Jaroslaw Kaczynski wurde schon von mehreren ehemaligen PiS-Abgeordneten kritisiert. Einige mussten wegen ihrer Kritik die Partei verlassen, darunter Ex-Innenminister Ludwik Dorn und Ex-Kulturminister Kazimierz Ujazdowski. "In der Partei herrscht Angst", schrieben die beiden vor zwei Jahren in einem offenen Brief an Kaczynski.

Libicki wurde von der PiS-Liste in Bezirk Poznan (Posen) gestrichen, weil ihm vorgeworfen wurde, im kommunistischen Polen für den Geheimdienst SB gearbeitet zu haben. Libicki wies dies zurück und leitete Anfang des Jahres ein Gerichtsverfahren ein, um die Vorwürfe prüfen zu lassen. (APA)