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Italiens Klatschpresse kommt mit der Berichterstattung über die außerpolitischen Aktivitäten des Premiers und "Papi" von Noemi Letizia kaum nach: "Noemi – 100 geheime Fotos" in Novella 2000.

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Berlusconi: "Ihr seid völlig unbedeutend."

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Die Mehrheit der Italiener scheint ihrem Regierungschef zu glauben.

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"Der Cavaliere? Ein alter Charmeur" , schmunzelt der römische Zeitungshändler Nino De Angelis und deutet auf die Titelseiten der Illustrierten. Antonietta Balducci teilt das durchaus. "100 geheime Fotos von Noemi" verspricht das Klatschmagazin, das die Sportlehrerin eben erworben hat. "Berlusconi wird jetzt 73. Da sollte er sich vielleicht etwas schonen" , grinst Balducci verständnisvoll. In der Affäre, die Italien seit Wochen bewegt, halten sich viele Italiener an die von Frauenministerin Mara Carfagna vorgegebene Linie: "Berlusconi arbeitet zum Wohl des Landes. Der Rest ist reine Privatsache."

Einer der Brennpunkte der "Telenovela" (Corriere della Sera) ist ein unscheinbares Haus in der gesichtslosen Peripherie Neapels. Hier, im Treppenaufgang des Gebäudes 285 im Corso Libertà von Portici, lagert rund um die Uhr ein Tross Fotografen und Journalisten. Neuheiten lassen sich hier freilich kaum erheischen. Noemi Letizia, die 18-jährige Schülerin, der eine Affäre mit dem Premier nachgesagt wird, hat längst die Flucht ergriffen. Auch ihre Eltern meiden das umlagerte Haus. Paparazzi müssen mit Bildern von Nachbarn und harmlosen Erinnerungen von Mitschülerinnen vorliebnehmen.

Seine Tochter sei "geschockt und zutiefst betrübt" , klagt Vater Elio. Eines aber hält er für unbestritten: "Noemi ist unberührt." In der Soap um den 72-Jährigen und sein "väterliches Interesse" für die blondgelockte Studentin lassen sich die Peinlichkeiten längst nicht mehr zählen. Gut denkbar, dass der Traum für die Familie des Gemeindebediensteten eine Nummer zu groß war: der Premier als Gast auf der Geburtstagsparty der Tochter, Noemi beim Galadiner am Tisch des Regierungschefs, der Flug mit Berlusconis Privatjet zu dessen Villa an der Costa Smeralda.

Zwei Wochen schwieg der Cavaliere zu den "unerträglichen Verdächtigungen" und zur Tageszeitung La Repubblica, die ihn täglich mit zehn einschlägigen Fragen bedrängte. Am Donnerstag schließlich beugte er sich dem wachsenden Druck. "Bei der Ehre meiner Kinder" schwor der Premier, "nie pikante Beziehungen einer Minderjährigen gepflegt zu haben: "Ich wäre sofort zurückgetreten."

Dann ging er zum Angriff über. "Wenn jemand seinem Nächsten Schlimmes antun will, wird er Verbrecher, Richter oder Journalist" zürnte der Premier auf der Vollversammlung der Kaufleutevereinigung. Die Pfiffe im Saal tat er als Äußerung einer verschwindenden Minderheit ab: "Ihr seid nur vier oder fünf und völlig unbedeutend. Auch wenn morgen in der Zeitung steht, ich sei ausgebuht worden."

Weil er Proteste fürchtet, meidet Berlusconi trotz Drängens seiner Mitarbeiter den Wahlkampf - obwohl in Italiens Gemeinden und Provinzen wichtige Wahlen anstehen. Die Linke sei "krank vor Hass" , meint der Premier. Und sein Außenminister Franco Frattini führt die negativen Reaktionen der Auslandspresse auf die "Bosheit und Unehrlichkeit" ihrer Korrespondenten zurück.

Innenpolitisch dürfte dem Cavaliere die Affäre Noemi kaum schaden - seine Partei kann am 6. Juni mit einem Rekordergebnis rechnen. Schon beginnt der Partito Democratico die Vehemenz zu bereuen, mit der die Oppositionpartei die Seifenoper zur Staatsaffäre hochspielen wollte. Sachthemen bleiben im beinharten Schlagabtausch auf der Strecke.

"Würden Sie diesem Mann ihren Hund anvertrauen?" , fragt die rechte Tageszeitung Libero unter einem Bild von Oppositionsführer Dario Franceschini. Der wurde auch vom Chefredakteur des Berlusconi-freundlichen Nachrichtenmagazins Panorama angepöbelt und niedergebrüllt. Die "Verrohung der Politik" habe unerträgliche Dimensionen erreicht, klagt der Corriere della Sera. Um"böswilligem Klatsch in den Staatskanzleien der ganzen Welt vorzubeugen" , habe der Premier die Pflicht, alle ungeklärten Aspekte der Affäre zu durchleuchten.

Doch Berlusconi hat sich im Fall Noemi längst in ein Geflecht aus Ungereimtheiten verstrickt, indem jede Klarstellung neue Fragen aufwirft. So versicherte der Premier, Noemi auf einer Modeschau kennen gelernt zu haben. Der Vater des Mädchens behauptet dagegen, ihm seine Familie nach einer Wahlkundgebung in Neapel vorgestellt zu haben. Berlusconi bemängelt La Stampa habe im "Naomigate" jede Klarheit vermissen lassen.

Vorerst letzter Teil der Soap: Noemis Mutter will Veronica Lario, die in Scheidung begriffene Frau des Premiers, treffen: "Wäre meine Tochter wirklich Berlusconis Geliebte, würde ich dann in einer 75 Quadratmeter-Wohnung in Portici leben?", fragt sie. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 30.5.2009)