Bild nicht mehr verfügbar.

Es sind die Musterschüler von gestern, die die Finanzwelt so zugerichtet haben, meint der Rektor einer US-Business- School. Ihm müssen Studierende schwören, dass sie bei ihrem Streben nach Profit die Ethik nicht ganz vergessen.

Foto: AP/Arbogast

Wien/Glendale - Eben noch wurden sie gefeiert, jetzt werden sie mit Füßen getreten: die Verursacher der Finanzkrise. "Doch wer waren diese Leute? Sie waren einst die besten Studenten der besten Business Schools", kritisiert Ángel Cabrera, Rektor der US-amerikanischen Thunderbird School of Global Management in Glendale in Arizona.

Auf der Suche nach den Hintergründen des krisengeschüttelten, ungezügelten Kapitalismus geraten Wirtschaftsuniversitäten ins Visier. Mit ihren Lehrplänen, in denen "die Maximierung des Shareholder Value und des Profits überbetont werden", haben sie zur Wirtschaftskrise beigetragen, echauffiert sich Cabrera.

Den schwarzen Peter an Business Schools abzuwälzen, hält der Vizerektor für Lehre an der WU Wien, Karl Sandner, zwar für legitim, die europäischen Unis will er aber nicht angekreidet sehen. Diese folgten einem breiteren Lehrkonzept: Sie würden durch Vorträge von Sozialwissenschaftern und Theologen der "Eindimensionalität der Betriebswirtschaftslehre gegen den Strich bürsten", betont er. An US-Hochschulen hingegen werde "die Wirtschaft wie eine Maschine gedacht", und hierin liege der Irrtum.

Doch die weltweite Wirtschaftskrise sei Ausdruck eines gesellschaftlichen Zustands, nicht bloß die Folge von Wirtschaftsabsolventen mit Scheuklappen. In den letzten Jahrzehnten seien "alte Werte verfallen", religiöse Institutionen als stabile Faktoren ins Wanken geraten, doch der Gesellschaft sei es nicht gelungen, "dem etwas entgegenzusetzen". Die Konsequenz: eine "Wertediffusion", gegen die Hochschulen machtlos sind. Zu glauben, sie könnten die Weltbilder von Studienanfängern noch ändern, ist für Sandner illusorisch.

"Beeinflussen" könnten vermittelte Inhalte diese Haltungen sehr wohl, ist Cabrera hingegen überzeugt. Er versucht das Positive an der Krise zu sehen, nämlich die Möglichkeit "zu überdenken und zu verändern". Seine Business School ist Mitglied der UN-Organisation "Principles for Responsible Management Education" und hat sich damit dem Prinzip der Nachhaltigkeit und der Entwicklung sozial verantwortungsvoller Lehrpläne verschrieben. Rund 250 Wirtschaftshochschulen haben diese Prinzipien unterzeichnet; für Cabrera ein Zeichen des Umdenkens.

Eidschwüre fürs Gewissen

Besonders stolz ist er über eine Innovation seiner Hochschule: Thunderbird hat einen "Hippokratischen Eid für Manager" entwickelt, der Studierende schon im Studium dazu verpflichtet, "verantwortungsvoll mit natürlichen Ressourcen umzugehen, niemanden auszubeuten, die Menschenrechte zu respektieren und Korruption zu bekämpfen". Bei der Abschlusszeremonie wird der Eid noch einmal feierlich rezitiert.

Reine Formalakte oder gewichtige Schwüre? Es bleibt bei einem oberflächlichen Schliff, wenn sich das zugrundeliegende Gedankengut, "in dieser kapitalistischen Welt möglichst schnell viel Geld zu verdienen", nicht wandelt, ist Sandner überzeugt. Denn solange sich dieses Normensystem nicht ändert, "wären die Leute blöd, wenn sie es anders täten".

Der dafür nötige gesellschaftliche Umdenkprozess kann heutzutage nicht von den Unis selbst eingeleitet werden, betont Sandner. "Es ist nicht Aufgabe der Universitäten, für die Weltrevolution zu kämpfen", sagt er und ergänzt "derzeit". Denn in Zeiten, in denen Politiker nicht mehr auf das Vertrauen breiter Bevölkerungsschichten bauen können, brauche es Impulse. "Ich persönlich würde mir wünschen, dass Unis hier viel agiler wären. Woher soll sonst der gesellschaftliche Fortschritt kommen?" (Romana Riegler, Tanja Traxler/ DER STANDARD-Printausgabe, 28.5.2009)