Manchmal beginnen große Änderungen ganz klein, dann würde die Physik von einem Quantensprung sprechen, und gut möglich, dass eine unauffällige Joghurtfabrik in Bogra in Bangladesch einen solchen Quantensprung darstellt. Sie geht auf ein Mittagessen des späteren Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus mit dem Chef des Lebensmittelmultis Danone, Franck Riboud, in einem Restaurant in Paris 2005 zurück.

Yunus, Gründer der für Mikrokredite bekannten Grameen Bank, schlug Riboud die Gründung eines Sozialunternehmens vor. Dieses würde nach wirtschaftlichen Prinzipien operieren und Gewinn machen, sich aber in zwei Aspekten unterscheiden: Es stellt sinnvolle Produkte für Arme zu erschwinglichen Preisen her, und es steckt den Gewinn in das Unternehmen, statt ihn auszuschütten.

Seit Ende 2006 stellt die Joghurtfabrik "Shakti Doi" her (auf Deutsch: Kraftjoghurt), das mit Vitaminen und Zusatzstoffen dafür sorgen soll, dass Kinder nicht an Mangelerscheinungen leiden. Rund 10.000 Becher werden derzeit täglich produziert, die von "Grameen-Ladies" in den Dörfern um fünf Cent pro Becher verkauft werden. Bis 2016 will das Unternehmen rund 50 Produktionsstätten in ganz Bangladesch aufziehen, um Verteilungswege zu minimieren und ohne Kühlkette operieren zu können.

Andreas Bluethner, der bei BASF für "Micronutrient Initiatives" (Nahrungsmittelzusätze) zuständig ist, sieht in solchen Sozialunternehmen einen vielversprechenden Weg, wie Unternehmen soziale Verantwortung wahrnehmen können."Es gibt klassische Charity, die wie beim Tsunami für Nothilfe unverzichtbar ist" , erklärte Bluethner vor kurzem bei einer Tagung des ICEP(Institut zur Cooperation bei Entwicklungsfragen)dem Standard in Wien. "Und es gibt langfristige humanitäre Ansätze wie Sozialunternehmen" , die für Unternehmen eine sinnvolle Form des Engagements seien.

Wichtig sei es, eine Brücke zwischen Entwicklungszusammenarbeit und unternehmerischen Kompetenzen zu schlagen. Dieses betreibt BASF bei der Bekämpfung von Vitamin-A-Mangel zusammen mit der Entwicklungsorganisation der deutschen Regierung, GTZ.

Anreicherung

"Food Fortification" ist die Anreicherung von Grundnahrungsmitteln - Öl, Mehl, Zucker - mit Vitamin A. Gewählt wurde diese Aufgabe von BASF, weil sie Breitenwirkung einerseits mit dem Know-how des Konzerns verbindet. 800 Millionen Menschen leiden an Vitamin-A-Mangel, sagt die Unicef, und jährlich sterben daran eine Millionen Kinder unter fünf Jahren. Wenn sie überleben, droht ihnen Blindheit und ein geschwächtes Immunsystem, was wiederum schlechte Bildungschancen und die Belastung der Länder mit hohen Gesundheitskosten bedeutet.

Während BASF Methoden erfand, um Vitamin A durch "Mikroverkapselung" bei Grundnahrungsmitteln auch in den heißen und feuchten Regionen der Welt beigeben zu können, wurde andererseits ein mit Symbolen und Farbpaletten erklärter Testkoffer entwickelt, mit dem einfach bestimmt werden kann, ob Nahrungsmittel auch die versprochene, ausreichende Vitamin-A-Beimengung enthalten. Ohne Entwicklungshilfe könnte BASF dies nicht auf den lokalenMärkten umsetzen, sagt Buethner.

Vor kurzem gründete auch BASF mit Yunus' Grameen Bank ein Sozialunternehmen. Diesem wurden eine Million Vitaminbeutel, 100.000 mit Insektiziden beschichtete Moskitonetze gegen Malaria und 200.000 Euro Startkapital mit auf den Weg gegeben. Das Unternehmen soll kostendeckend arbeiten und irgendwann das Anfangskapital zurückzahlen - aber seine Gewinne reinvestieren. (Helmut Spudich, DER STANDARD, Printausgabe, 29.5.2009)