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Für Amnesty "Folter auf Knopfdruck" : der Taser.

Foto: REUTERS/Christinne Muschi

Bei der Vorstellung des Amnesty-Jahresberichts 2009 ging es aber auch um den FPÖ-Wahlkampf und die Wirtschaftskrise.

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Wien - Ein Tasereinsatz, so Heinz Patzelt, sei "Folter auf Knopfdruck" . Die Benutzung des Elektroschockgeräts, das bis zu fünf Ampere Strom durch den Körper des Beschossenen jagt und ihm schwere Schmerzen zufügt, sei daher schwer kritisierenswert, sagte der österreichische Amnesty-Generalsekretär bei der Vorstellung des Amnesty International Reports 2009. Vor allem wenn der Taser in kniffligen Situationen von staatlichen Organen verwendet werden soll, wie es Justizministerin Claudia Bandion-Ortner jetzt wieder für die Justizbeamten plant.

Dann könne es zum Beispiel passieren, dass ein wehrloser, schwer traumatisierter Mann, der in einer Arrestzelle mit Selbstmord droht, wenn er seine Psychotherapeutin nicht sehen darf, von außerhalb per Stromschlag zu Boden gezwungen wird. So geschah es dem tschetschenischen Asylwerber Ruslan A. am 8. Juni 2008 in der Polizeistation Böheimkirchen. Der Mann war wegen seiner geplanten Abschiebung nach Polen in Verzweiflung geraten.

Im Österreich-Kapitel der Amnestyberichts 2009, der die "weltweite Lage der Menschenrechte" zum Inhalt hat, wird der Fall Ruslan A. eigens geschildert. Laut Patzelt zeigt er die Risiken, die sich einem menschenrechtskonformen Taser-Einsatz entgegenstellen, gut auf. Umso problematischer sei, dass Bandion-Ortner den Wiedereinführungserlass für die Elektroschockgeräte unter Verschluss halte - "und gleichzeitig behauptet, dass sie alle Bedenken von Amnesty berücksichtigt hat" .

"Der Erlass ist noch gar nicht in Kraft, das wird erst im Lauf des Juni der Fall sein. Sobald es so weit ist, wird auch Amnesty den Erlass erhalten" , reagierte im Justizministerium Sprecherin Katharina Swoboda auf die Kritik. Auch einen weiteren Amnesty-Kritikpunkt wies Swoboda strikt zurück: "Dass Staatsanwälte und Richter zu wenig gegen Rassismus unternehmen, ist ein genereller Vorwurf. Und er stimmt nicht" , begab sie sich im Standard-Gespräch in Verteidigungsposition.

Doch Patzelts Kritik war spezifischer. Er sprach am Donnerstag neuerlich die Untätigkeit des Innen- und Justizressorts gegen "institutionalisierten Rassismus" in Österreich an. Die Ministerien hätten bisher gar nicht auf Vorschläge reagiert, etwa für bessere Statistiken über rassistisch motivierte Straftaten zu sorgen: Ein Wunsch, wie er auch von der EU-Grundrechtsagentur kommt. "Unsere Statistikabteilung arbeitet hier an Vorschlägen" , verkündete Swoboda zu dem Thema auf Nachfrage hin.

Sehr tagesaktuell hingegen fielen Patzelts Bemerkungen über den EU-Wahlkampf der FPÖ aus. Dieser sei "rassistisch, islamophob und antisemitisch" .

Gefahr Wirtschaftskrise

Weltweit sieht Amnesty den Respekt der - auch sozialen - Menschenrechte durch die Wirtschaftskrise in Gefahr. Die Rezession könnte 90 Millionen Menschen in Armut stürzen. In den Slums Brasiliens würde das die unhaltbaren Zustände weiter verschärfen. Auch US-Präsident Barack Obama kommt in dem Bericht breit vor: Trotz Wirtschaftskrise solle er die Mittel zur Verfügung stellen, um das Folterlager Guantánamo zu schließen. (Irene Brickner, DER STANDARD - Printausgabe, 29. Mai 2009)